Kostendämpfung macht der Pharmabranche in Deutschland zu schaffen

10.03.2006

(dpa-AFX) - Die Aussichten für die Pharmaindustrie sind eigentlich glänzend: Die Menschen in den Industrieländern werden immer älter. Damit nehmen Alterskrankheiten wie Diabetes rasant zu - und parallel dazu steigt auch der Bedarf an Arzneimitteln. Nach einer Faustregel ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Medikamenten bei Menschen ab 50 Jahren etwa vier Mal so hoch wie in jüngeren Jahren. Auch deshalb drohen die Arzneimittelkosten nach Ansicht von Kassen und Politik aus dem Ruder zu laufen: Mit einer Lenkung zu preisgünstigen Medikamenten sollen die Kosten um 1,3 Milliarden Euro pro Jahr gesenkt werden.

Vor allem den forschenden Unternehmen macht das "Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung" (AVWG) zu schaffen. Nach Ansicht des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), der die Interessen von 39 großen Unternehmen von Altana bis Wyeth vertritt, gefährdet das Sparpaket den "Pharmastandort Deutschland". Mit immensen Forschungskosten entwickelte Medikamente rentieren sich nur, wenn sie teuer verkauft werden können. Auch die Sprecherin des Informationsdienstleisters IMS Health, Gisela Maag, spricht von "erheblichen Restriktionen", deren Auswirkungen allerdings noch schwer abschätzbar seien.

Die Pharmaindustrie ist seit Jahren auf Wachstumskurs. Nach einer Analyse der Dresdner Bank hat die deutsche Arzneimittelindustrie den Umsatz von 1995 bis 2004 im Jahresdurchschnitt um knapp 3,5 Prozent gesteigert. Für 2005 erwartet die Bank ein Umsatzplus von 5 bis 6 Prozent, 2006 werde der Anstieg wegen des Sparpakets etwas darunter liegen. "Die regulatorischen Eingriffe der Gesundheitspolitik beeinflussen das Wettbewerbsumfeld der Pharmabranche in Deutschland nachhaltig", stellt der Autor der Studie, Werner Heß, fest. Das Inlandsgeschäft werde immer uninteressanter, dafür gewinne das Auslandsgeschäft - vor allem auf dem weltgrößten Pharmamarkt USA - immer mehr an Bedeutung.

Die mittelständisch geprägte Pharmabranche in Deutschland ist vergleichsweise klein: Die sechs größten deutschen Unternehmen Altana, Bayer, Boehringer Ingelheim, Merck, Schering und Schwarz Pharma kommen noch nicht einmal zusammen auf den Umsatz von Weltmarktführer Pfizer. Nach Angaben des VFA ist Deutschland inzwischen weltweit nur noch der fünftgrößte Hersteller von Arzneimitteln hinter den USA, Japan, Frankreich und Großbritannien. Sieben Prozent der weltweiten Pharmaproduktion sind "made in Germany". 2005 gab es laut Statistischem Bundesamt hierzulande 330 Hersteller von pharmazeutischen Erzeugnissen mit 121.573 Beschäftigten.

Seit Mitte der 90er Jahre gab es eine Reihe von Übernahmen und Fusionen. "Es mehren sich die Anzeichen, dass die lang erwartete Konsolidierung jetzt stattfindet", meint der Pharmaexperte der Landesbank Rheinland-Pfalz, Alexander Groschke. Abgesehen von Boehringer Ingelheim verfüge kein forschendes Pharmaunternehmen in Deutschland über die notwendige "kritische Masse" für eine gute Langfristperspektive. Die Produktpipeline für den Nachschub an innovativen Medikamenten ist vielerorts nicht mehr gut gefüllt. "Bei allen deutschen Unternehmen besteht aus strategischer Sicht Handlungsbedarf", sagt Groschke. Altana sieht sich derzeit schon nach einem Partner für die Pharmasparte um.

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