Schnell erfolgreich: Innovative Therapie stoppt tödliche Hirnentzündung
„Wir sind überzeugt, dass unsere Methode die Behandlung von Infektionskrankheiten revolutionieren wird“
Die DIAVIS-T-Zellen werden am Institut für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering unmittelbar aus Spenderblut isoliert und stehen innerhalb von 24 Stunden für die Therapie zur Verfügung. In einer wissenschaftlichen Auswertung von 28 Patientinnen und Patienten haben die Forschenden nun die Wirksamkeit ihrer Therapie analysiert. „Wir haben festgestellt, dass die Mehrheit unserer Patientinnen und Patienten auf die Behandlung anspricht, sich von ihren Beschwerden erholt und dank der Therapie die Virusinfektion überlebt“, betont Professor Skripuletz. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „JAMA Neurology“ veröffentlicht.
Schlummerndes Virus wird reaktiviert
Das Virus infiziert etwa 70 bis 90 Prozent aller Menschen weltweit, ohne dass die meisten es überhaupt bemerken. Doch einmal in den Körper gelangt, schlummert das Erbgut des Erregers dort weiter. Ist das Immunsystem von einer schweren Erkrankung oder immunsuppressiven Medikamenten geschwächt oder stillgelegt, kann sich das Virus genetisch verändern. Dank der Mutation ist es ihm dann möglich, über das Blut in das Zentralnervensystem einzuwandern und dort Zellen zu infizieren. Bis zur Entwicklung der neuen Behandlungsmethode gab es nur eine Option für Patientinnen und Patienten, die Medikamente zur Unterdrückung ihres körpereigenen Abwehrsystems einnahmen: Die Immunsuppressiva wurden abgesetzt. Seit Entdeckung der Therapiemöglichkeit mit DIAVIS-T-Zellen kommen PML-Betroffene aus dem In- und Ausland an die MHH, um sich behandeln zu lassen. Allerdings handelt es sich bislang um Einzelfallentscheidungen für diese Behandlungsoption.
Einzigartiges T-Zell-Spende-Register
Das Übertragen der DIAVIS-T-Zellen funktioniert allerdings nur dann, wenn die Zellen der Spendenden mindestens zu 50 Prozent in den Gewebemerkmalen der Empfängerin oder des Empfängers Empfänger übereinstimmen, also HLA-teilpassend sind. Die virusspezifischen T-Zellen stammen in der Regel von Familienspendern oder aus dem einzigartigen T-Zell-Spenderregister alloCELL der MHH. „Dort registrieren wir nicht nur die HLA-Merkmale der Blutzellen, sondern bestimmen gleichzeitig die Anzahl spezifischer T-Zellen gegen unterschiedliche Viren“, sagt Professorin Dr. Britta Eiz-Vesper, Immunologin am MHH-Institut für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering. Weil das Institut zudem einer der deutschlandweit führenden Hersteller für Virus-spezifische T-Zellen ist, kann die Wissenschaftlerin geeignete Personen für eine T-Zell-Spende schnell auffinden und dann die T-Zellprodukte innerhalb weniger Tage nach Anfrage der Patientin oder dem Patienten zur Verfügung stellen. Dieser kurze Zeitrahmen ist für PML-Betroffene von entscheidender Bedeutung. Weil nur eine niedrige Zelldosis erforderlich ist, ist die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen wie die Graft-versus-Host-Erkrankung gering, bei der die Immunzellen des Spenders den Empfängerorganismus angreifen, weil nur eine niedrige Zelldosis erforderlich ist.
Methode auch auf andere Viruserkrankungen übertragbar
Um die Ergebnisse wissenschaftlich zu bestätigen, bereiten die Forschenden nun eine klinische Phase-2-Studie vor, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Erbringt die klinische Studie den allgemeinen Wirknachweis der Behandlungsmethode, könnte daraus eine für alle PML-Betroffene zugelassene Therapie werden. Und das betrifft möglicherweise mehr Menschen als bisher angenommen. „PML steht vermutlich zu selten im Blick der behandelnden Ärztinnen und Ärzte, auch weil es bislang keine Heilungsmöglichkeit gab“, sagt der Neurologe. Und langfristig ließe sich das Therapieprinzip auch auf andere neurologische Viruserkrankungen ausweiten. „Wir sind überzeugt, dass unsere Methode die Behandlung von Infektionskrankheiten revolutionieren wird.“
Originalveröffentlichung
Nora Möhn, Lea Grote-Levi, Mike P. Wattjes, Agnes Bonifacius, Dennis Holzwart, Franziska Hopfner, Sandra Nay, Sabine Tischer-Zimmermann, ... Britta Maecker-Kolhoff, Britta Eiz-Vesper, Günter Höglinger, Thomas Skripuletz; "Directly Isolated Allogeneic Virus–Specific T Cells in Progressive Multifocal Leukoencephalopathy"; JAMA Neurology, Volume 81