Ursache des Jo-Jo-Effekts entschlüsselt
Fettzellen speichern in ihrem Zellkern Erinnerungen an Fettleibigkeit
Es gibt ein epigenetisches Gedächtnis an Fettleibigkeit
Hinte, von Meyenn und ihr ehemaliger Kollege Daniel Castellano Castillo suchten bei Mäusen nach den molekularen Ursachen des Jo-Jo-Effekts. Sie erforschten dazu Fettzellen von übergewichtigen Mäusen und solchen, die nach einer Diät ihr Übergewicht verloren hatten. Dabei konnten sie zeigen: Fettleibigkeit führt zu charakteristischen epigenetischen Markierungen im Kern der Fettzellen. Das Besondere daran: Auch nach einer Diät bleiben diese Markierungen bestehen. «Die Fettzellen erinnern sich an den übergewichtigen Zustand und können leichter in diesen zurückversetzt werden», sagt von Meyenn. So konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass Mäuse mit dieser epigenetischen Markierung schneller Gewicht zulegten, wenn sie wieder Zugang zu fettreicher Nahrung hatten. «Damit haben wir eine molekulare Grundlage für den Jo-Jo-Effekt gefunden.»
Auch beim Menschen gibt es Hinweise, die diesen Mechanismus zu bestätigen scheinen: Die ETH-Forschenden analysierten Fettgewebs-Biopsien von ehemals übergewichtigen Personen, die sich einer Magenverkleinerung oder einer Magenbypass-Operation unterzogen hatten. Die Gewebeproben stammen aus verschiedenen Studien, die am Karolinska-Institut in Stockholm und an Spitälern in Leipzig, Dresden und Karlsruhe durchgeführt wurden. In diesen Proben untersuchten die Forschenden nicht die epigenetischen Marker, sondern die Genaktivität. Die Ergebnisse stimmen jedoch mit jenen der Mäuse überein. Die Forschenden berichten darüber in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift externe Seite Nature.
Prävention ist der Schlüssel
Wie lange sich Fettzellen an Fettleibigkeit erinnern können, haben die Forschenden nicht untersucht. «Fettzellen sind langlebige Zellen. Sie werden im Schnitt zehn Jahre alt, bevor unser Körper sie durch neue Zellen ersetzt», sagt Hinte.
Derzeit ist es nicht möglich, die epigenetischen Markierungen im Zellkern mit Medikamenten zu verändern und damit das epigenetische Gedächtnis zu löschen. «Vielleicht wird das in Zukunft möglich werden», sagt Hinte. «Aber vorerst müssen wir mit diesem Gedächtniseffekt leben.» Von Meyenn ergänzt: «Gerade weil es den Gedächtniseffekt gibt, ist es so wichtig, Übergewicht von vornherein zu vermeiden. Denn dann ist es am einfachsten, etwas dagegen zu tun». Diese Botschaft richten die Forschenden vor allem an Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern.
Mit ihrer Arbeit haben die ETH-Forschenden zum ersten Mal gezeigt, dass Fettzellen ein epigenetisches Gedächtnis für Fettleibigkeit besitzen. Sie gehen aber nicht davon aus, dass die Fettzellen die einzigen Zellen mit einem solchen Erinnerungsvermögen sind. «Auch andere Körperzellen könnten zum Jo-Jo-Effekt beitragen», sagt von Meyenn. Es wäre durchaus denkbar, dass sich auch Zellen im Gehirn, in den Blutgefässen oder weiteren Organen an Fettleibigkeit erinnern und zum Effekt beitragen. Ob dem tatsächlich so ist, wollen die Forschenden als nächstes herausfinden.
Originalveröffentlichung
Laura C. Hinte, Daniel Castellano-Castillo, Adhideb Ghosh, Kate Melrose, Emanuel Gasser, Falko Noé, Lucas Massier, Hua Dong, Wenfei Sun, Anne Hoffmann, Christian Wolfrum, Mikael Rydén, Niklas Mejhert, Matthias Blüher, Ferdinand von Meyenn; "Adipose tissue retains an epigenetic memory of obesity after weight loss"; Nature, 2024-11-18