Forscher finden Früherkennungszeichen für Fettleibigkeit

10.05.2017 - Deutschland

Ein internationales Forschungsteam, an dem Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig beteiligt sind, hat eine chemische Substanz identifiziert, die als Früherkennungszeichen für eine einsetzende Fettleibigkeit genutzt werden kann. Solch ein Biomarker für Adipositas war bisher nicht bekannt. Es handelt sich um den Zuckeralkohol Erythrit. Die Forscher um Prof. Dr. Karsten Hiller, Leiter der Abteilung Bioinformatik und Biochemie am Braunschweiger Zentrum für Systembiologie (BRICS) der TU Braunschweig konnten nachweisen, dass Menschen, die stark an Gewicht zunehmen und Gefahr laufen, fettleibig zu werden, Erythrit in erhöhten Konzentrationen im Blut haben.

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Erythrit dient als Süßstoff etwa in Limonaden und gilt als besonders gut verträglich, weil es – so die gängige Annahme – vom menschlichen Stoffwechsel nicht verarbeitet, sondern unverändert ausgeschieden wird. Das Team konnte zeigen, dass diese Annahme falsch ist: Erythrit ist durchaus Bestandteil des Stoffwechsels – und wird vom Körper sogar selbst hergestellt. Seine Ergebnisse veröffentlicht das Konsortium, an dem auch das Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) der Universität Luxemburg und die US-amerikanische Cornell-Universität beteiligt sind, in dem Fachjournal PNAS.

Grundlage für die Forschungsarbeit war eine Beobachtung, die Ernährungswissenschaftler schon seit längerem machen: „Drei Viertel aller Studienanfänger in den USA neigen dazu, im ersten Semester an Gewicht zuzulegen“, sagt Prof. Dr. Patricia Ann Cassano vom Bereich Ernährungswissenschaften an der Cornell-Universität und Initiatorin der Studie: „Dies dürfte damit zusammenhängen, dass sie von zuhause ausziehen, sich nun selbst versorgen müssen und ihre Ernährung umstellen.“ Bisher war kein Stoffwechselprodukt bekannt, das als Früherkennungszeichen oder Biomarker für diese Gewichtszunahme – die unter Umständen zu Fettleibigkeit führt – dienen kann. Cassano und ihr Team wollten das ändern, denn gerade im frühen Erwachsenenalter bestehen noch Chancen, einer einsetzenden Adipositas entgegenzuwirken. Die Wissenschaftler untersuchten deshalb in einer repräsentativen Gruppe von Studienanfängern über ein Jahr hinweg den Gesundheitszustand und nahmen bei den Probanden Blutproben.

Dann baten sie Karsten Hiller, der damals am LCSB tätig war, und sein Team, die Blutproben zu untersuchen. Ziel war es, herauszufinden, welche Stoffwechselprodukte sich darin befanden und wie sich deren Zusammensetzung im Lauf des Untersuchungszeitraums veränderte. Hiller gilt für solche Untersuchungen als einer der führenden Experten: „Wir haben Techniken entwickelt, mit denen wir genau nachverfolgen können, wie bestimmte Substanzen im Körper abgebaut werden und welche Produkte daraus entstehen. Auch bisher unbekannte Stoffwechselprodukte können wir so bestimmen.“ Die Forscher fanden heraus, dass bei Studienteilnehmern, die gerade stark zunehmen, die Substanz Erythrit verstärkt im Stoffwechsel auftaucht.

Hillers Team stellte zudem fest, dass der Süßstoff nicht nur über die Nahrung in den Körper gelangt, sondern auch selbst von ihm hergestellt wird. „Dazu haben wir mit markiertem Zucker gearbeitet“, sagt Dr. Jean-Pierre Trezzi, der am LCSB maßgeblich an den Untersuchungen beteiligt war. In Glukose haben die Forscher bestimmte Kohlenstoffatome durch solche Kohlenstoffatome ersetzt, die einen Kernbaustein mehr enthalten, als das in der Natur meistens der Fall ist. Trezzi: „Dieses als C13 bezeichnete Kohlenstoff-Isotop ist stabil, hat keine Auswirkungen auf Lebewesen und kommt in der Natur sehr selten vor. Wenn wir es künstlich in Glukose einbauen, können wir genau verfolgen, welchen Weg die Glukose im Körper nimmt.“

Das Ergebnis war für die Forscher überraschend: Nehmen Probanden eine markierte Glukoselösung ein, finden sich die C13-Kohlenstoffatome nach einiger Zeit auch im Erythrit. „Das ist der Beweis dafür, dass der Körper den Zuckeralkohol auch selbst herstellen kann“, sagt Karsten Hiller: „Erythrit ist keine Substanz, die wir einfach wieder ausscheiden. Sie hat eine Wirkung auf unseren Stoffwechsel. Das steht im Gegensatz zu allen bisherigen Annahmen.“

Eine Aussage darüber, welche Beziehung zwischen einer erhöhten Erythrit-Konzentration im Blut und einer einsetzenden Fettleibigkeit besteht, können die Forscher mit ihren bisherigen Ergebnissen allerdings noch nicht machen, so Hiller: „Das ist Gegenstand der nächsten Untersuchungen. Wir werden mit der Isotopenmethode nun die Stoffwechselwege rund um das Erythrit genau ausleuchten, untersuchen, wo es herkommt und wie es aus dem Körper verschwindet – und hoffen dabei Hinweise zu bekommen, welche Rolle dieser Zuckeralkohol bei der Gewichtszunahme spielt.“

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