Forscher sagen Aktivität menschlicher Gene voraus
Genetisch identische Zellen verhalten sich nicht immer gleich. Dafür verantwortlich, so die akzeptierte These, sind zufällige molekulare Prozesse – bekannt als zufälliges Rauschen. Diese Annahme wurde über Jahrzehnte durch zahlreiche Experimente und theoretische Modelle untermauert. Nun haben Systembiologen der Universität Zürich eine folgenschwere Entdeckung gemacht: Die räumliche Trennung der menschlichen Zelle in Zellkern und Zellplasma schafft eine Art passiven Filter. Dieser unterdrückt das Zufallsrauschen und ermöglicht es menschlichen Zellen, die Aktivität einzelner Gene genau zu steuern.
Mehr Zufälligkeit im Zellkern entdeckt
Obwohl die Beobachtungen von Lucas Pelkmans und seinem Team anfänglich der bisherigen Lehrmeinung widersprachen, zeigte sich ihnen auf den zweiten Blick die fehlende Erklärung. Während der Aktivierung von Genen wird die in der DNS gespeicherte genetische Information in Boten-RNS abgeschrieben. «Wir konnten die Boten-RNS im Zellplasma perfekt vorhersagen und fanden im Kern weit mehr Zufälligkeit», erklärt Nico Battich, Mitautor und Doktorand am Institut für Molekulare Biologie. «Man könnte sich den Zellkern als einen lecken Eimer vorstellen, der die Boten-RNS einerseits zurückhält, aber andererseits ihren verzögerten und gleichmässigen Ausfluss ermöglicht. Dadurch wird die Aktivität von Genen im Zellplasma äusserst robust gegenüber dem Zufallsrauschen während der Herstellung der Boten-RNS im Zellkern.»
Kleinste physiologische Details ersichtlich
Dank ihrer neuen Methode konnten die Zürcher Forscher als Erste so viele menschliche Gene untersuchen. Es ist ihnen gelungen, jedes einzelne Molekül zu erkennen, das von aktiven Genen produziert wird. «Früher konnte man nur wenige Gene untersuchen und oft mussten Forscher diese gentechnisch verändern», sagt Doktorand Thomas Stoeger. «Wir erkannten, dass sich die Aktivität von Genen zwischen einzelnen Zellen stark unterscheidet, doch gleichzeitig konnten wir die Aktivität für jede einzelne Zelle vorhersagen, indem wir mit mikroskopischen Farbstoffen kleinste physiologische Details der Zellen sichtbar machten».
Die Erkenntnisse der Zürcher Grundlagenforscher können in die verschiedensten Gebiete einfliessen: «Beispielsweise in die Evolutionsbiologie, in der die räumliche Unterteilung von Zellen ein Meilenstein zur Entwicklung intelligenter Lebensformen markiert. Ebenso in die Biotechnologie, wo eine genaue Steuerung künstlicher Gene gewünscht ist, bis hin zur Humanmedizin – sollte es gelingen vorherzusagen, welche einzelnen bösartigen Zellen auf Medikamente ansprechen», schliesst Prof. Lucas Pelkmans.
Originalveröffentlichung
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Life-Science-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für Biotechnologie, Pharma und Life Sciences bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.