MERS: Geringe Übertragbarkeit, gefährliche Krankheit
Das „Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus“ (MERS-CoV) wurde erstmals 2012 auf der arabischen Halbinsel festgestellt und verbreitete sich von dort unter anderem über Europa und Nordafrika weiter. Es handelt sich bei der Erkrankung um eine schwere virale Lungenentzündung. Insgesamt sind mittlerweile mindestens 856 Erkrankungsfälle registriert, wenigstens 241 Menschen starben an den Folgen der Infektion. Wissenschaftler rätseln darüber, wie ansteckend die Erkrankung und wie hoch die Dunkelziffer nicht erkannter Infizierter ist. Bislang gab es dazu nur theoretische Hochrechnungen.
Erstmals ist es nun einem internationale Wissenschaftlerteam unter Federführung von Prof. Dr. Christian Drosten vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn gelungen, die Infektionsraten direkt zu beobachten. „Die Übertragbarkeit des Virus und die Dunkelziffer sind gering“, fasst Prof. Drosten das Ergebnis zusammen. In Saudi-Arabien verfolgten die Forscher nach Auftreten von Neuinfektionen, wie sich die Krankheit im häuslichen Umfeld der Patienten weiter ausbreitete. Insgesamt wurden 280 Menschen untersucht, die in den Haushalten von 26 Infizierten leben. Es kam gerade einmal in zwölf Fällen (vier Prozent) zu einer Ansteckung. „Da jeder Infizierte deutlich weniger als einen weiteren Menschen ansteckte, ist davon auszugehen, dass das MERS-Virus keine Pandemie hervorrufen wird“, folgert der Virologe des Bonner Universitätsklinikums. Eine schnelle Ausbreitung einer Krankheit erfolge nur, wenn jeder Infizierte mehrere andere Menschen anstecke.
Dromedare sind neben Menschen eine weitere Infektionsquelle
Die Wissenschaftler geben jedoch keine Entwarnung: „Auch wenn die Übertragungsrate gering ist: Die MERS-Infektion ist sehr gefährlich, rund ein Drittel der symptomatischen Patienten stirbt an den Folgen der Infektion“, sagt Prof. Drosten. Neben der Ansteckung von Mensch zu Mensch gibt es noch eine weitere wichtige Quelle: Wie ein Forscherteam um Prof. Drosten bereits vor einem Jahr publizierte, sind möglicherweise Dromedare an der Virusübertragung beteiligt. Sie sind im Mittleren Osten verbreitet und könnten durch ihren engen Kontakt mit dem Menschen für einen Teil der menschlichen Erkrankungen verantwortlich sein.
Für diese These spricht nach Ansicht des Virologen, dass im Frühjahr die MERS-Infektionsraten deutlich zunehmen. Zu dieser Zeit gibt es viele neugeborene Kamele, und die einjährigen Tiere werden ihren Muttertieren entzogen und zusammengetrieben, was jeweils ein erhöhtes Ansteckungsrisiko birgt. „Eine Infektion von Tier zu Tier und dann auf den Menschen zu unterbinden, ist nicht einfach“, sagt Prof. Drosten. Eine Möglichkeit wäre, wenn eine MERS-Impfung für Kamele entwickelt würde. In dem weitläufigen Land mit einer teils nomadischen Lebensweise sei eine Durchimpfung jedoch logistisch schwer umsetzbar.
Virologen des Bonner Uniklinikums entwickeln einen neuen Test
Die Virologen des Bonner Universitätsklinikums entwickelten zum Nachweis der MERS-Infektionen in den saudi-arabischen Haushalten auch erstmals eine verlässliche Methode, mit der sich serologisch Antikörper im Blut nachweisen lassen. Demnächst soll der neue Test durch eine deutsche Firma auf den Markt kommen und dann allen Ärzten zur Verfügung stehen. Der Zugang zu den Familien der Infizierten in dem arabischen Land war für das internationale Forscherteam aus Deutschland, Saudi-Arabien, den Niederlanden und England eine große Herausforderung. Dr. Ziad Memish, damals stellvertretender Gesundheitsminister in Saudi-Arabien und Mitautor der Publikation, half dabei, die Menschen zu überzeugen, sich für die Studie untersuchen zu lassen.