Unsere Gene bestimmen, welche Spuren Stress im Gehirn hinterlässt

21.08.2014 - Österreich

Es liegt an der individuellen genetischen Voraussetzung, welche Wirkung Stress auf unsere Emotionszentren hat. Das hat eine Forschergruppe der MedUni Wien herausgefunden. Denn nicht jeder Mensch reagiert gleich auf idente belastende Lebensereignisse. Manche entwickeln sich durch Krisen weiter, andere jedoch zerbrechen daran und erkranken zum Beispieleiner Depression. Zu welchem Ausgang es kommt, wird durch ein komplexes Wechselspiel von Depressions-Gen-Varianten und Umweltfaktoren bestimmt.

Die Wiener Forschergruppe wies gemeinsam mit internationalen Kooperationspartnern nach, dass es Wechselwirkungen zwischen belastenden Lebensereignissen („Life Events“) und bestimmten Risiko-Genvarianten gibt, die in der Folge das Volumen des Hippocampus nachhaltig verändern.

Der Hippocampus ist eine Schaltstation in der Emotionsverarbeitung und gilt als zentrale Schnittstelle in der Stressverarbeitung. Es ist bekannt, dass ersehr sensibel auf Stress reagiert. Bei Stress, der als Gefahr für den Organismus interpretiert wird ('Distress'), verliert er an Volumen, was bei depressiven PatientInnen häufig beobachtet wird und für einen Teil der klinischen Symptome verantwortlich ist. Im Gegenzug kannpositiver Stress ('Eustress'), wie er in emotional anregenden sozialen Situationen auftritt, sogar zu einer Volumenszunahme des Hippocampus führen.

Wie sich belastende Lebensereignisse auf die Größe des Hippocampus auswirken, hängt laut Studienergebnis nicht ausschließlich von den Umweltfaktoren ab. Es sind die Gene, die bestimmen, ob ein und dasselbe Lebensereignis zu einer Zunahme oder Abnahme des Hippocampusvolumens führt und damit festlegen, ob der Stress gut oder schlecht für unser Gehirn ist. Je mehr Risko-Gene ein Mensch besitzt, desto negativer wirken sich „Life-Events“ auf die Größe des Hippocampus aus. Beikeinenoder nur wenigen Risiko-Genenkann sich dieses Lebensereignis sogar positiv auswirken.

Lebenskrisen abgefragt

Für die Studie wurden an der Univ.Klinik f. Psychiatrie und Psychotherapie (Leiter: Siegfried Kasper) durch das Studienteam bei gesunden ProbandInnen belastende Lebensereignisse wie z.B. Todesfälle in der Familie, Scheidungen, Jobverlust, finanzielle Verluste, Ortswechsel, schwere Erkrankungen oder Unfälle, quantitativ erfasst.

Weiters wurde eine hochauflösende anatomische Magnetresonanztomographie durchgeführt (am Exzellenzzentrum Hochfeld-MR, Abteilung für MR-Physik, Leiter: Ewald Moser). Für die Genanalysen (COMT Val158Met, BDNF Val66Met, 5-HTTLPR) zeichnet die Univ. Klinik f. Labormedizin verantwortlich (Harald Esterbauer gemeinsam mit Kollegen). An der Univ.-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapiewurde durch Erstautor Ulrich Rabl das Hippocampusvolumen mittels computergestützter Verfahren bestimmt und mit den Gen-und Umweltdaten analytisch in Beziehung gebracht.

„Personen mit den drei als depressionsfördernd geltenden Genvarianten besaßenbei einer ähnlichen Anzahl an belastenden Lebensereignissen einen kleineren Hippocampus als jene mit weniger oder keiner dieser Genvarianten“, beschreibt Studienleiter Lukas Pezawas das Resultat. Menschen mit nur einem oder gar keinem dieser Risiko-Gene verfügten hingegen bei ähnlichen Lebensereignissen über einen vergrößerten Hippocampus.

Die Studie unterstreicht die Bedeutung von Gen-Umwelt-Wechselwirkungen als bestimmenden Faktor des Hippocampus-Volumens. „Diese Ergebnisse sind wichtig für das Verständnis neurobiologischer Vorgänge bei stress-assoziierten Erkrankungenwie der Depression oder der posttraumatischen Belastungsstörung. Es sind unsere Gene, die letztlich die Weiche stellen, ob Stress uns psychisch krank macht oder unsere psychische Gesundheit fördert.“, erklärt Pezawas.

Originalveröffentlichung

Additive Gene – Environment Effects on Hippocampal Structure in Healthy Humans – Ulrich Rabl et al.; Journal of Neuroscience

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