Komplexes menschliches Immunsystem im Tiermodell
In der Evolution haben sich infektiöse Erreger und ihre Wirte gemeinsam entwickelt. Daher sind viele Krankheitserreger artspezifisch. Das heisst, sie infizieren zum Beispiel nur Menschen aber nicht andere Lebewesen. Dementsprechend haben sich auch die Abwehrsysteme der Wirte spezialisiert. Die präklinische Forschung zu menschlichen Erregern sah sich damit lange Zeit vor ein Problem gestellt, da Untersuchungen im Reagenzglas die In-vivo-Situation nur beschränkt widerspiegeln. Forschende der Universität Zürich haben deshalb vor zehn Jahren Mäuse mit menschlichen Immunzellen ausgestattet – und nun ist ihnen ein weiterer Schritt gelungen: Sie zeigen zusammen mit Forschern der Yale University und der Baylor University, dass sich bereits durch wenige humane Wachstumsfaktoren, die in die Maus eingebracht werden, ein Immunsystem entwickeln kann, das dem des Menschen sehr ähnlich ist.
Die Entwicklung von Modellen ist enorm wichtig
Das Immunsystem wehrt Infektionen ab und dient dem Erhalt von vielerlei Körperfunktionen. Es ist hochkomplex und besteht aus unterschiedlichen Zelltypen, die ihre Funktion im Zusammenspiel untereinander und mit anderen Körperzellen entfalten. «Für manche Fragestellungen ist es daher essentiell, Modelle zu entwickeln, die präklinisch verlässliche Aussagen zulassen», sagt Markus G. Manz, ein Autor der aktuellen Publikation, der auch das Forschungsteam der Studie vor zehn Jahren leitete.
Bis heute konnten Mäuse mit Teilen eines menschlichen Immunsystems ausgestattet werden. Dieses Modell wird weltweit genutzt, um etwa HIV-Infektionen, die spezifisch für den Menschen sind, und deren Therapie zu untersuchen. Allerdings waren bislang die Möglichkeiten limitiert: Die Mäuse können zwar den Teil des Immunsystems aufbauen, der im Wesentlichen gegen Virusinfektionen aktiv ist. Sie können aber nicht den angeborenen, das heisst hauptsächlich gegen bakterielle Infektionen aktiven Teil des humanen Immunsystems entwickeln. Durch die Zugabe von speziellen Wachstumsfaktoren, die das angeborene Immunsystem fördern, ist es den Forschern nun gelungen, grosse Teile des komplexen Immunsystems des Menschen auf das Tiermodell zu übertragen. «Damit öffnen sich neue Möglichkeiten in der Immunforschung», so Markus G. Manz.
Wichtig auch für die Tumorforschung
Interessanterweise hat sich gezeigt, dass die Erkenntnisse nicht nur für die Untersuchung von Infektionserkrankungen von Bedeutung sind. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich in diesem Modell ebenfalls die Interaktion des humanen Immunsystems mit humanen Tumoren untersuchen lässt und auch, wie Teile dieser Interaktionen therapeutisch beeinflusst werden können.
Die Hoffnung der Hämato-Onkologen ist es nun, dass sie mit dem Modell bald in die Anwendung gehen können, wie Markus G. Manz ausführt: «Das grösste Potential auf unserem Fachgebiet sehe ich in der Untersuchung der Biologie und den Tests von neuen Therapien gegen verschiedene Formen des Blutkrebses.»
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