Nur nicht den Kopf verlieren
Max-Planck-Forscher in Dresden bringen nicht-regenerationsfähige Plattwürmer dazu, ihren Kopf nachwachsen zu lassen
© MPI-CBG
Eigentlich arbeitet Jochen Rink vom Dresdner Max-Planck-Institut in seinem Labor mit dem Plattwurm Schmidtea mediterranea. Dieser Wurm ist für seine erstaunliche Regenerationsfähigkeit bekannt und deshalb ein beliebter Modellorganismus unter Regenerationsforschern weltweit: „Wir können den Plattwurm in 200 Teile zerschneiden, und aus jedem Schnipsel wächst wieder ein neuer Wurm“, erklärt Rink. Nun hat er sich aber ausnahmsweise für einen nahen Verwandten seines Laborhaustiers interessiert, für den Plattwurm Dendrocoelum lacteum. Diese Art kann auf aus dem Schwanzbereich stammenden Stücken keine neuen Köpfe wachsen lassen.
Zusammen mit Forschern vom DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden verglichen Jochen Rink und seine Kollegen die beiden Wurmverwandten auf genetischer Ebene. Eine heiße Spur war dabei das Signalprotein Wnt. Es löst eine Nachrichtenkette aus, an deren Ende das Molekül ß-Catenin steht. Genau dieses Endprodukt der Signalkette haben die Forscher aus Dresden gentechnisch gehemmt und so dem Wurm vorgegaukelt, dass der gesamte Signalweg auf „aus“ geschaltet ist. Das Ergebnis: Selbst der abgeschnittenen Schwanzspitze von Dendrocoelum lacteum wuchs nun ein neuer, voll funktionsfähiger Kopf.
Ein so komplexer Vorgang Regeneration auch ist, sein Defekt ist nicht unumkehrbar, wie die Experimente gezeigt haben. Für Rink ist vor allem dies die erstaunlichste Erkenntnis: „Wir dachten, wir müssten hunderte Hebel in Bewegung setzen, um Regenerationsfähigkeit entscheidend zu beeinflussen; nun haben wir aber gelernt, dass einige wenige Schaltstellen reichen, an denen man ansetzen muss.“ Auf die Frage, ob die neue Erkenntnis auch auf den Menschen anwendbar ist, bremst Rink die Erwartungen: „Unsere Experimente haben gezeigt, dass man über Vergleiche zwischen regenerierenden Arten und ihren nicht-regenerierenden Verwandten die genetischen Knotenpunkte identifizieren kann, die für Regeneration ausschlaggebend sind – das ist ein wichtiger erster Schritt.“
Originalveröffentlichung
S.-Y. Liu, C. Selck, B. Friedrich, R. Lutz, M. Vila-Farré, A. Dahl, H. Brandl, N. Lakshmanaperumal, I. Henry & J. C. Rink Reactivating head regrowth in a regeneration-deficient planarian species Nature, 25 July 2013
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