Die schwerste Petersilie der Welt

Jülicher und Bonner Forscher kultivieren 13C-markierte Kräuter zur Aufklärung der Wirkung von Flavonoiden

17.11.2011 - Deutschland

Gemüse und Kräuter werden gemeinhin der leichten Küche zugeordnet. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der Universität Bonn haben nun Petersilie, Spinat und Pfefferminze angezogen, die zur "schweren" Kost gehören. Was die Küchenkräuter so gewichtig macht, ist eine chemische Markierung mit dem nicht-radioaktiven Isotop 13C. Die Forscher wollen damit testen, ob sogenannte Flavonoide, welche in diesen Pflanzen enthalten sind, im Stoffwechsel von Probanden tatsächlich die ihnen zugesprochene Schutzwirkung entfalten.

Flavonoide kommen in Pflanzen nur in einem Promilleanteil vor. Ihnen wird eine antioxidative Wirkung zugeschrieben - sie sollen unter anderem vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs schützen. Wissenschaftler wollen nun mit einer markierten "gewichtigen" Variante dieser Pflanzen die Spur der Flavonoide im menschlichen Stoffwechsel verfolgen.

Zur Anzucht werden die Pflanzen in einer speziellen Klimakammer im Forschungszentrum Jülich mit dem für das Pflanzenwachstum wichtigen Kohlendioxid CO2 begast. Das eingesetzte CO2 enthält aber nicht den in der Atmosphäre überwiegend vorkommenden Kohlenstoff 12C, sondern das viel seltenere, schwerere Isotop 13C. "Die Pflanzen nehmen das markierte Kohlendioxid auf und wandeln es im Rahmen der Fotosynthese in Zucker um", erklärt Prof. Ingar Janzik vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften. "Dieser Zucker mit dem schweren Kohlenstoff ist dann der Ausgangsstoff für alle weiteren Substanzen, die in der Pflanze gebildet werden."

Die Bonner Wissenschaftler wollen aus den markierten "schweren" Pflanzen die Flavonoide isolieren und Probanden über die Nahrung anbieten. "Das Kohlenstoffisotop 13C ist für die Testpersonen vollkommen ungefährlich, es ist weder radioaktiv noch giftig, nur eben ein bisschen schwerer", sagt Lebensmittelchemiker Prof. Rudolf Galensa von der Universität Bonn. Damit kann es jedoch im Stoffwechsel der Probanden nachverfolgt werden.

Um die Ausbeute an markierten Flavonoiden zu maximieren, wurden am Institut für Gartenbauwissenschaften von Prof. Georg Noga spezielle Spinat-, Petersilie- und Pfefferminzesorten als Versuchspflanzen ausgewählt. "Die für uns interessanten Flavonoide liegen in diesen Pflanzen in vergleichsweise hohen Gehalten vor", sagt Dr. Benno Zimmermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Prof. Galensas Team.

Für die Aufzucht der besondern Pflanzen wurde die Klimakammer vom Jülicher Pflanzenwissenschaftler Dr. Siegfried Jahnke speziell an die Notwendigkeiten der "schweren" Anzucht angepasst. "Auch der `schwere´ Kohlenstoff kommt in der Luft natürlicherweise vor, jedoch nur mit knapp einem Prozent", sagt Dr. Jahnke. "Wir müssen daher die Luft erst vom 12C befreien und dann wieder durch das markierte Kohlendioxid ersetzen." Dadurch kostet eine Flasche von dem gasförmigen "Dünger" rund 100.000 Euro. Neben den Anteilen der beteiligten Institute werden die Kosten weitgehend vom Deutschen Stiftungszentrum (Stiftungsfonds Unilever) und von der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn getragen.

Etwas mehr als zwei Kilo an Grünsubstanz konnten bislang in den Jülicher Kammern markiert und geerntet werden. Maike Gleichenhagen vom Bonner Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften, die im Rahmen des Projekts "PhytoFuN" (Phyto Functional Nutrition) ihre Doktorarbeit anfertigt, konnte zeigen, dass die Pflanzen den markierten Kohlenstoff 13C mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent in die Flavonoide eingebaut haben. Diese Messungen bestätigte auch Dr. Markus Boner von der TÜV Rheinland Agroisolab GmbH mittels der Isotopenmassenspektrometrie. "Dies eröffnet uns sehr gute Möglichkeiten, die Biosynthese der Flavonoide über die Markierung zu verfolgen", freut sich Prof. Janzik.

Anfang 2012 sollen in Bonn die Tests mit den Probanden beginnen. "Sie bekommen die markierten und extrahierten Flavonoide in üblichen Speisen - zum Beispiel als Pfefferminztee - gereicht", sagt Prof. Peter Stehle, Ernährungswissenschaftler der Uni Bonn. Erste Analyseergebnisse werden vermutlich Mitte 2012 vorliegen. Die Wissenschaftler planen bereits eine Ausweitung der Tests und wollen weitere Fördermittel beantragen. "Denn über die Wirkung von Flavonoiden in Pflanzen und in Menschen gibt es noch viel zu lernen", erklärt Prof. Janzik.

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