Neues Angriffsziel bei chronischem Blutkrebs

Wird der Botenstoff PIGF blockiert, steigt die Überlebensrate im Mausmodell

07.07.2011 - Deutschland

Bei chronischem Blutkrebs steigt die Überlebensrate, wenn ein bestimmter Botenstoff mit Hilfe von Antikörpern blockiert oder genetisch ausgeschaltet wird. Diesen Zusammenhang konnten Dr. Thomas Schmidt, Assistenzarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg, und Kollegen im Mausmodell nachweisen. Außerdem zeigten die Wissenschaftler, dass bei Patienten, die an chronisch myeloischer Leukämie, CML leiden, Knochenmarkzellen verstärkt diesen Botenstoff bilden. Dieser so genannte PIGF (Placental growth factor) sorgt dafür, dass sich die Leukämiezellen ausbreiten können.

Und noch ein weiteres Ergebnis des Forscherteams regt das Interesse an den therapeutischen Möglichkeiten eines PIGF-Blockers: Er wirkte zusätzlich zum dem bei CML-Patienten aktuell als „Goldstandard“ eingesetzten Medikament Imatimib und verlängerte das Überleben der Mäuse. Und selbst bei einer Form der Erkrankung, die gegen Imatimib resistent ist, war der Blocker effektiv.

Nicht die Krebszellen direkt sondern ein Botenstoff als Angriffsziel

„Wirkstoffe gegen chronischen Blutkrebs zielen bislang direkt auf die Zerstörung von Leukämiezellen ab“, erklärt Dr. Thomas Schmidt. Das Problem: Nach Behandlungsstopp kann die Erkrankung wieder aufflammen, manche Patienten entwickeln Resistenzen gegen den Wirkstoff oder vertragen ihn nicht. Alternativen sind also gefragt.

„Unsere Arbeiten zeigen, dass auch der Botenstoff PIGF ein wichtiges Angriffsziel ist“, sagt der angehende Chirurg. „Leukämiezellen sorgen mit Hilfe von Botenstoffen für eine Produktion von PIGF in Knochenmarkzellen, wodurch in ihrer Umgebung ideale Wachstumsbedingungen für den Krebs entstehen.“ So sorgt PIGF dafür, dass die Leukämiezellen sich vermehren und sich im Körper verbreiten sowie dass verstärkt Blutgefäße im Knochenmark gebildet werden, die die Krebszellen in ihrer Entwicklung unterstützen. Die Leukämiezellen bringen außerdem die Knochenmarkzellen dazu, noch mehr PIGF zu produzieren - ein Teufelskreis also.

Die passende Krebsart für den Wirkstoff ermitteln

In vorangegangenen Arbeiten während seines Forschungsaufenthaltes in Leuven, Belgien, konnte der 31-jährige Nachwuchswissenschaftler bereits im Mausmodell zeigen, dass Antikörper gegen PIGF bei bestimmten Leber- und Hautkrebsarten das Tumorwachstum bremsen.

„Bei Patienten mit verschiedenen Tumorerkrankungen wurden bereits erste klinische Studien mit PIGF-Antikörpern durchgeführt, durch die Industriepartner, die den Antikörper entwickelt haben. Der Wirkstoff wurde gut vertragen.“ Andere Tumoren in Mäusen, z.B. der Bauchspeicheldrüse, scheinen wiederum resistent. Die größte Hürde vor einer therapeutischen Nutzung sei es deshalb, die für den Wirkstoff passende Krebsart zu ermitteln.

Dr. Schmidt selbst faszinieren besonders die molekularen Vorgänge, mit denen sich Tumorzellen im Körper eine für sie ideale Umgebung einrichten. Die Forschungsarbeiten dazu wird er in der Gruppe von Professor Dr. Jürgen Weitz, Leitender Oberarzt der Universitätsklinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplanationschirurgie Heidelberg fortsetzen.

Originalveröffentlichung

Schmidt T et al.; Loss or Inhibition of Stromal-Derived PlGF Prolongs Survival of Mice with Imatinib-Resistant Bcr-Abl1(+) Leukemia; Cancer Cell. 2011 Jun 14;19(6):740-53.

Van de Veire S et al.; Further pharmacological and genetic evidence for the efficacy of PlGF inhibition in cancer and eye disease; Cell. 2010 Apr 2;141(1):178-90.

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