Cebit 2011: Bioinformatiker helfen weltweit vernetzten Forscherteams beim Entwurf neuer Medikamente
„Wer für ein Türschloss den passenden Schlüssel sucht, muss eine räumliche Vorstellung davon haben. Ähnlich geht es Forschern, die Formen und Strukturen von Molekülen chemisch und räumlich begreifen müssen, um neue Medikamente zu entwerfen“, erklärt Andreas Hildebrandt, der eine Forschergruppe an der Universität des Saarlandes leitet. Gemeinsam mit Bioinformatikern in Saarbrücken und Tübingen hat Hildebrandt die frei verfügbare Software BALL (Biochemical ALgorithms Library) entwickelt, die durch die Visualisierungskomponente BALLView ergänzt wurde. Mit ihrer Hilfe kann man wie in einem 3D-Kino in die virtuelle Welt von Wirkstoff-Molekülen, DNA und Viren eintauchen. Somit entsteht ein besserer räumlicher Eindruck für den Betrachter, der es ihm erleichtert, das „Schlüssel-Wirkstoff-Molekül“ zu finden, das geometrisch und chemisch in das dreidimensionale "Schloss", das so genannte Rezeptor-Molekül aus dem menschlichen Körper, passt.
Internationale Forscherteams aus verschiedenen Fachgebieten arbeiten an unterschiedlichen Standorten eng zusammen, um diese komplizierten Mechanismen besser zu verstehen „Sie konnten aber bisher die dreidimensionalen Modelle nicht zeitgleich bearbeiten, weil dies unter anderem wegen begrenzter Netzkapazitäten und Problemen bei der Datensicherheit nicht möglich war“, erklärt der Bioinformatiker. Das Saarbrücker Forscherteam erweitert daher seine Software derzeit um so genannte kollaborative Funktionen. Sie ermöglichen den Wissenschaftlern, weltweit die komplexen Moleküle gemeinsam und gleichzeitig zum Beispiel über das Internet zu modellieren. Die dafür notwendige 3D-Technologie für das Internet, genannt "XML3D", wurde von einem Forscherteam um Professor Philipp Slusallek am Intel Visual Computing Institute der Saar-Uni und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz entwickelt. Durch eine Erweiterung von gewöhnlichen Webbrowsern können damit komplexe dreidimensionale Graphiken dargestellt werden.
„Diese neue Web-Technologie wurde in die BALLView-Software integriert. Außerdem können die Forscher ihre Ideen jetzt direkt über ein Chat-Fenster in BALLView selbst diskutieren“, erläutert Hildebrandt. Die Software arbeitet zudem mit einer besonderen Visualisierungstechnik, dem so genannten Raytracing-Verfahren. Damit werden die räumlichen Strukturen der Moleküle auf sehr realistische Weise mit Licht, Schatten und Reflektionen dargestellt. Anschauen kann man sich diese zum Beispiel mit Hilfe eines Virtual Reality Setup oder auch an einem handelsüblichen 3D-Fernseher. „Dabei werden zwei Bilder so übereinander gelegt, dass der Betrachter sie durch eine 3-D-Brille mit enormer Tiefenwahrnehmung sehen kann. Er erhält dadurch einen äußerst realistischen räumlichen Eindruck und kann die Proteine oder Viren direkt an der Leinwand oder dem Fernseher verschieben, in einzelne Bereiche hineinzoomen und diese bearbeiten“, sagt Andreas Hildebrandt, der in Kürze eine Professur an der Universität Mainz antreten wird. Am saarländischen Forschungsstand auf der Cebit können Besucher die Technologie am 3D-Fernseher ausprobieren.
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