Krebsforschung: Kleine Veränderung mit großer Wirkung

Wie das p53-Protein wirkt

10.12.2024
Copyright: Universität Konstanz/Inka Reiter

Prof. Dr. Ivano Amelio ist Professor für Toxikologie an der Universität Konstanz, Präsident der European Cell Death Organisation (ECDO) und Chefredakteur des Online-Journals „Cell Death Discovery“.

Wie unterschiedlich sich einzelne Mutationen des Tumorsuppressors p53 auf Pankreaskarzinome auswirken, wies ein Forschungsteam der Universität Konstanz unter Leitung des Biologen Ivano Amelio nach.

Wenn Zellwachstum außer Kontrolle gerät und bösartige Zellen zu wuchern beginnen, kann in einem Prozess, der als Tumorgenese bezeichnet wird, Krebs entstehen. Fehler bei der Zellteilung gibt es in jedem Körper immer wieder, doch ausgeklügelte Mechanismen sorgen im Normalfall dafür, dass sich nur gesunde Zellen vermehren und beschädigte absterben – es also gar nicht erst zu einer Tumorbildung kommt.

Ein Helfer bei diesem Prozess ist das sogenannte p53-Protein. Doch wenn es mutiert, kommt es seiner Aufgabe nicht mehr nach. Bisher ging die Forschung davon aus, dass alle Mutationsarten von p53 sich dabei gleich verhalten. Im Rahmen des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs TRR 353 „Regulation von Zelltod-Entscheidungen“ haben ToxikologInnen der Universität Konstanz nun jedoch nachgewiesen, dass unterschiedliche Mutationen sich auch unterschiedlich auf den Zellstoffwechsel auswirken.

Wie das p53-Protein wirkt

Die Aufgabe des p53-Proteins ist es, bei einer vorliegenden DNA-Schädigung die Vermehrung der betroffenen Zelle zu blockieren und so ein Zeitfenster für eine Reparatur zu ermöglichen. Schlägt diese Reparatur fehl, wird die Selbstzerstörung der Zelle eingeleitet und Platz für eine neue, möglichst fehlerfreie gemacht. Der Vorgang ist wichtig, damit sich nur gesunde Zellen vermehren und es nicht zu unkontrollierten Wucherungen (z. B. Krebs) kommt.

Das p53-Protein kann jedoch mutieren und ist dann nicht mehr in der Lage, seiner eigentlichen Aufgabe vollumfänglich nachzukommen. Das Verzögern des Zellwachstums schlägt fehl und es gibt kein Zeitfenster für eine Reparatur oder die Einleitung des Zelltods. So wird schließlich die bösartige Zelle vermehrt und ein Tumor kann wachsen. Bei etwa jeder zweiten Tumorerkrankung ist eine solche Mutation des p53-Proteins nachweisbar. WissenschaftlerInnen der Krebsforschung arbeiten daher mit Hochdruck daran, die Mutationen besser zu verstehen und ihnen etwas entgegenzusetzen.

Nicht alle Mutationen sind gleich

Ein Forschungsteam der Universität Konstanz unter Leitung des Toxikologen Ivano Amelio ist auf diesem Weg einen guten Schritt vorangekommen. In einer aktuellen Studie haben sie das Verhalten zweier Mutationen des p53-Proteins miteinander verglichen und konnten nachweisen, dass sich diese unterschiedlich auf den Stoffwechsel von Pankreaskarzinomen auswirken.

„Unsere Untersuchung ergab, dass die erste Variante die mitochondriale Funktion und Energieproduktion der Zelle aufrechterhält und gleichzeitig die zelluläre antioxidative Kapazität beeinflusst. Die zweite Variante zeigte diesen Einfluss nicht, dämpfte dafür aber die Aktivierung von pro-tumorigenen Stoffwechselwegen, wie dem Harnstoffzyklus“, fasst Amelio die Ergebnisse der Studie zusammen. Die Erkenntnis, dass die beiden Mutationen des p53-Proteins selektiv unterschiedliche Stoffwechselwege in Pankreaskarzinomen kontrollieren, eröffnet neue Wege in der Krebsforschung.

„Die bisherige Forschung geht weitestgehend davon aus, dass eine Unterscheidung der Mutationsvarianten von p53 nicht allzu wichtig ist, sondern nur die Tatsache zählt, dass eine Mutation vorliegt“, sagt der Toxikologe und ergänzt: „Diese Annahme führte jedoch zu verstärkten Diskussionen über widersprüchliche Beobachtungen, die in der Praxis gemacht wurden. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Mutationsvarianten nicht länger als eine homogene Gruppe zu betrachten, sondern jede Variante systematisch einzeln zu untersuchen.“ Amelio zufolge beginnen wir gerade erst damit, die wirkliche Relevanz von p53-Mutantenproteinen zu verstehen. Erst systematische Analysen anhand von Modellen, welche die Tumorökologie genauer widerspiegeln, werden uns einen tieferen Einblick verschaffen.

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