Mausdarmbakterien bekommen ein neues Zuhause
Quelle: Nature Microbiology
Sie sind mikroskopisch klein und leben auf dem Menschen genauso wie auf Tieren. Sie können dabei helfen, gesund zu werden oder buchstäblich krank machen: Milliardenweise Mikroorganismen, die vor allem im Darm und genauso auf der Haut sowie anderen Körperregionen mit dem Wirt in Symbiose leben. Diese Minis sind von zentraler Bedeutung und Experten sprechen von der Darm-Mikribiota oder auch dem Mikrobiom. Dieses zu entschlüsseln und besser zu verstehen, wie etwa der Darm durch diese Minis auf die verschiedensten Einflüsse von außen reagiert, daran arbeiten Wissenschaftler am Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung (ZIEL) der Technischen Universität München (TUM) sowie der Deutschen Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) in Braunschweig und DZIF-Wissenschaftler an der Universität München (LMU).
76 verschiedene Bakterienspezies im Mausmikrobiom festgestellt
Ein Schlüssel dafür sind Mausmodelle und deren Bakterienstämme, von denen bislang eine Handvoll öffentlich verfügbar und voll charakterisiert ist – ein stark limitierender Faktor für die Forschung. Wegen der noch unbekannten Zahl an Bakterienstämmen können beispielsweise genetische Verwandtschaftsgrade nicht genau überprüft werden, ebenso sind die Wechselwirkungen der verschiedenen Bakterienfamilien untereinander unklar und es konnten bislang wenige Standardisierungen vorgenommen werden. Dr. habil. Thomas Clavel vom ZIEL beschreibt in "Nature Microbiology" ein neues Abstammungsmodell, welches erstmals hundert Darmbakterienstämme im Mikrobiom von Mäusen enthält. Für die Studie wurden 1500 Darmbakterienkulturen untersucht und 76 verschiedene Gattungen (Spezies) identifiziert und archiviert.
"Das Ziel unserer Arbeit war einen ersten großen Schritt in Richtung einer Entschlüsselung der in Mäusen kultivierbaren Darmbakterien zu gehen. Es bleibt noch viel zu tun. Wir stellen unsere Arbeit Wissenschaftlern weltweit zur Verfügung und hoffen, dass andere genauso helfen, den bislang unvollständigen Status zu vervollständigen", sagt Clavel, der seit zehn Jahren an der TU München verschiedene Bakterien im Mikrobiom erforscht – "vor allem auch, weil das Mikrobiom der Maus einige Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten mit dem Mikrobiom des Menschen hat." Die Arbeit zeigt jedoch, dass rund 20 Prozent der Stämme in der neuen Sammlung den Darm von Mäusen bevorzugt kolonisieren.
Um den Besiedelungsprozess im Darm besser zu verstehen, müssen zunächst die vorhandenen Bakterien bekannt sein. "Da Mausmodelle für präklinische Studien unerlässlich sind, kann das nun veröffentlichte Abstammungsmodell dazu beitragen, verlässlichere Schlussfolgerungen zu ziehen", sagt Clavel.
Neue Bakterien mit besonderen Funktionen
Es konnten erstmals neue Bakterien mit wichtigen funktionellen Eigenschaften charakterisiert werden: So etwa das Flintibacter butyricum, welches die kurzkettige Fettsäure Butyrat sowohl aus Zucker als auch aus Eiweiß produziert – eine seltene Eigenschaft im Reich der Darmbakterien. Butyrat ist ein Hauptfermentationsprodukt im Darm, welches in zahlreichen Studien anti-entzündliche und positive Effekte gegen stoffwechselbedingte Erkrankungen zeigte.
"Wir haben noch sehr viele Lücken im Wissen übers Mikrobiom zu schließen, aber mit unserer öffentlich zugänglichen Datenbank über kultivierbaren Bakterienarten und ihr genetisches Material im Mausmikrobiom sind wir dem Ziel ein Stückchen näher gerückt", freut sich Thomas Clavel von der TUM.