Gefahr aus dem Labor
In der Infektionsforschung liegen Nutzen und Risiken nahe beieinander
(dpa) Ebola, Vogelgrippe oder Sars: Der Umgang mit hochansteckenden Erregern im Labor ist mit Gefahren verbunden. Internationale Experten diskutieren bei einer Tagung in Hannover, wie zu verhindern ist, dass brisante Forschungsergebnisse in falsche Hände geraten. «Wir haben bisher keine kohärenten gesetzlichen Regelungen in Deutschland und der Europäischen Union, die Missbrauchsrisiken durch Terroristen und Straftäter umfassen», sagte die Freiburger Juristin Silja Vöneky, Sprecherin der Arbeitsgruppe Biosicherheit im Deutschen Ethikrat. Niemand wisse, in wie vielen Einrichtungen in Europa mit gefährlichen Bakterien und Viren gearbeitet werde.
Ein bekanntes Beispiel ist der Rotterdamer Virologe Ron Fouchier, der 2011 in seinen Experimenten die Aggressivität gefährlicher Vogelgrippeviren steigerte. Bei solchen «gain-of-function»-Versuchen erhält ein Gen eine neue Funktion oder eine höhere Aktivität. Das künstlich erzeugte «Supervirus» versetzte die Fachwelt und Sicherheitsbehörden in Unruhe. Der Nationale Beraterausschuss für Biosicherheit der USA appellierte an die Herausgeber des Fachmagazin «Science», wegen der Terrorgefahr nur unverfängliche Daten der Vogelgrippe-Experimente zu veröffentlichen.
Nach anhaltender Kritik pausierte Fouchier zunächst, er ist aber weiter vom hohen wissenschaftlichen Nutzen seiner Arbeit mit im Labor erschaffenen Erregern überzeugt. Dank der Versuche ließen sich unter anderem bessere Impfstoffe entwickeln, argumentierten Fouchier und sein Kollege Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin-Madison in einem offenen Brief im Fachmagazin «Nature».
In Deutschland gibt es Gesetze und Vorschriften, die den Umgang mit Mikroorganismen regeln. Dazu zählen das Gentechnikgesetz, das Infektionsschutzgesetz und die Biostoffverordnung. Mit den gefährlichsten Viren der Risikogruppe 4 darf nur in den drei Hochsicherheitslabors der Stufe BSL4 in Marburg, Hamburg und auf der Insel Riems gearbeitet werden.
Viele Institutionen wie die Max-Planck-Gesellschaft oder das Robert-Koch-Institut (RKI) haben zudem Verhaltensregeln für ihre Wissenschaftler aufgestellt. «Was uns in Deutschland und international oben als Spitze auf der vorhandenen Basis an Regelungen zur Biosafety und Biosecurity noch fehlt, ist ein ethisches Rahmenwerk», sagte Lars Schaade, Leiter des Zentrums für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene des RKI, das in Berlin ebenfalls ein Hochsicherheitslabor baut.
Jeder Forscher müsse sich zu Beginn eines Vorhabens fragen: «Darf ich diese Erkenntnis aus ethischen Gesichtspunkten in die Welt setzen?», so Schaade, der auch Vizepräsident des RKI ist. Die Risikoabwägung sei unverzichtbar.
Im Jahr 2001 etwa wollten australische Wissenschaftler mit gentechnisch manipulierten Mäusepocken ein Virus schaffen, das die Vermehrungsrate der Nager dämpft. Im Labor entstand jedoch statt des Schädlingsbekämpfungsmittels quasi aus Versehen ein für Mäuse absolut tödliches Virus. Schon damals wurde über die wachsende Gefahr des Missbrauchs von Biotechniken zur Schaffung von Biowaffen diskutiert.
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