Parkinson-Gen: Nervenwachstumsfaktor stoppt Zerfall von Mitochondrien
Neuer Zusammenhang bei den Vorgängen eines Parkinson-relevanten Gendefekts entdeckt
© MPI für Neurobiologie / Klein
Mit seiner "Abhandlung über die Schüttellähmung" beschrieb James Parkinson 1817 zum ersten Mal eine Krankheit, die allein in Deutschland heute fast 280.000 Menschen betrifft. Das auffälligste Symptom der Parkinson-Krankheit ist ein langsames Muskelzittern, das meist mit einer zunehmenden Bewegungsarmut und Beugung des gesamten Körpers einhergeht. Diese Symptome sind sichtbare Zeichen einer dramatischen Veränderung im Gehirn: Im Bereich der Substantia nigra des Mittelhirns sterben Nervenzellen in großer Zahl.
Trotz der fast zweihundertjährigen Erforschung der Parkinson-Krankheit sind ihre Ursachen noch immer nicht vollständig geklärt. Sicher scheint, dass neben Umweltfaktoren auch genetische Veränderungen eine Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen. So wird mittlerweile eine Reihe von Genen mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht. Eines dieser Gene ist PINK1, dessen Veränderung zu Fehlfunktionen der Mitochondrien führt. Ohne diese „Energiekraftwerke“ kann eine Zelle nicht mehr richtig arbeiten oder sich regenerieren. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie und ihre Kollegen aus München und Martinsried haben nun einen bislang unbekannten Zusammenhang entdeckt, der den Mitochondrien-Fehlfunktionen bei einer PINK1-Mutation entgegenwirkt.
Das Gen PINK1 entstand bereits sehr früh in der Entwicklungsgeschichte und existiert in ähnlicher Form zum Beispiel in Menschen, Mäusen und Fliegen. In der Fruchtfliege Drosophila zeigt sich eine durch eine PINK1-Mutation ausgelöste Mitochondrienstörung im Zerfasern der Muskeln. Weniger sichtbar sterben auch die Nervenzellen der Fliegen. Die Wissenschaftler untersuchten die molekularen Vorgänge bei diesen Veränderungen und fanden heraus, dass eine Aktivierung des Rezeptors "Ret" dem Muskelabbau entgegenwirkt. „Das ist ein wirklich interessantes Ergebnis, durch das die Mitochondriendegeneration bei der Parkinson-Krankheit mit Nervenwachstumsfaktoren in Verbindung gebracht wird“, berichtet Rüdiger Klein, der Leiter der Studie. Ret ist für die Martinsrieder Neurobiologen kein Unbekannter: „Wir konnten bereits vor einigen Jahren in Mäusen zeigen, dass Nervenzellen ohne den Ret-Rezeptor verfrüht und mit zunehmendem Alter vermehrt absterben“, so Klein.
Der Ret-Rezeptor ist die Zell-Andockstelle für den körpereigenen Wachstumsfaktor GDNF. In den vergangenen Jahren haben verschiedene Studien ergeben, dass die Bindung von GDNF an seinen Ret-Rezeptor den frühen Tod von Nervenzellen in der Substantia nigra verhindern kann. Klinische Studien zum Einfluss von GDNF auf den Krankheitsverlauf bei Parkinson-Patienten lieferten jedoch bislang keine eindeutige Verbesserung.
Die neuen Ergebnisse aus der Grundlagenforschung deuten nun darauf hin, dass durch Ret/GNDF der Stoffwechsel der Mitochondrien gesteigert beziehungsweise wieder hergestellt wird. „Aufbauend auf diese Erkenntnis könnten bestehende Therapien verfeinert oder auf bestimmte Patientengruppen zugeschnitten werden“, hofft Pontus Klein, der die Studie im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführt hat. Diese Hoffnung scheint nicht ganz unbegründet, denn die Wissenschaftler haben in menschlichen Zellen mit einem PINK1-Defekt bereits eine ähnliche Wirkung von Ret/GDNF wie bei der Fruchtfliege -beobachtet. So könnten in Zukunft vielleicht nach Stoffwechselstörungen in den Mitochondrien von Parkinson-Patienten gesucht werden. Eine speziell zugeschnittene GDNF-Therapie könnte einen neuen Therapieansatz für positiv getestete Patienten darstellen.
Originalveröffentlichung
Pontus Klein, A. Kathrin Müller-Rischart, Elisa Motori, Cornelia Schönbauer, Frank Schnorrer, Konstanze F. Winklhofer, Rüdiger Klein; Ret rescues mitochondrial morphology and muscle degeneration of Drosophila Pink1 mutants. The EMBO Journal, 29. Januar 2014