Dem Prostatakrebs auf der Spur

05.12.2013 - Deutschland

Neue Biomarker verbessern künftig die Diagnostik von Volkskrankheiten wie beispielsweise Prostatakrebs. Ihre Aufgabe: Sie sollen den Tumor früher erkennen, präziser klassifizieren und unnötige Operationen vermeiden helfen.

© Fraunhofer IPA

Vollautomatisierte Anlage zur Validierung von Biomarkern. Sie wurde vom Fraunhofer IPA entwickelt und ermöglicht es, RNA-Moleküle gleichzeitig aus vielen Proben in winzigen Volumina zu messen.

Leidet der Patient an Krebs der Vorsteherdrüse, dem Prostatakrebs? Eine solche Frage ist für die Ärzte schwer zu beantworten. Denn bislang sind sie meist auf Hinweise angewiesen, die ihnen das prostataspezifische Antigen PSA liefert. Ist die Vorsteherdrüse vom Krebs befallen, gibt sie dieses Protein verstärkt an das Blut ab. Der Test hat allerdings einen Haken: Er ist sehr ungenau. Liefert er erhöhte Werte, müssen die Patienten daher eine Biopsie über sich ergehen lassen. Dabei entnimmt der Mediziner mit einer Biopsie-Nadel mehrfach Proben des Gewebes und lässt sie vom Pathologen untersuchen. Wie jeder Eingriff birgt das gewisse Risiken. In seltenen Fällen kann es zu Infektionen kommen.

Finden die Ärzte bei der Biopsie bösartiges Tumorgewebe, müssen sie die Prostata meist entfernen. Zwar gibt es neben dem aggressiven Prostatakrebs auch einen, der sehr langsam wächst und möglicherweise nicht operiert werden müsste. Allerdings lässt er sich bisher nicht vom aggressiven, schnell wachsenden Tumor unterscheiden. Die Folge: Die Ärzte operieren einen Großteil der 70.000 Menschen, bei denen sie pro Jahr in Deutschland Prostatakrebs feststellen. »Ein Teil dieser Eingriffe ließe sich eventuell vermeiden, wenn man einen Biomarker hätte, der verrät, um welche Art von Krebs es sich handelt«, sagt Prof. Friedemann Horn, Professor für Molekulare Immunologie an der Universität Leipzig und Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig. Der Begriff Biomarker bezeichnet dabei eine Messgröße, die anzeigt, ob ein Mensch oder ein Organ gesund oder krank ist – etwa Stoffwechselprodukte, bestimmte Proteine oder Nukleinsäuren.

Biomarker geben Aufschluss

Solche Biomarker wollen die Forscher nun im Projekt RIBOLUTION, kurz für »Integrierte Plattform für die Identifizierung und Validierung innovativer RNA-basierter Biomarker für die Personalisierte Medizin«, finden (www.ribolution.de). Es wird von der Fraunhofer-Zukunftsstiftung gefördert – beteiligt sind die Fraunhofer-Institute für Angewandte Informationstechnik FIT, für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Produktionstechnik und Automatisierung IPA, für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM und für Zelltherapie und Immunologie IZI sowie einige Universitäten. In dem Projekt geht es keineswegs nur um Prostatakrebs – auch die Diagnose anderer Volkskrankheiten wie Rheuma und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, die durch Husten, Auswurf und Atemnot gekennzeichnet ist, wollen die Forscher verbessern. Dabei konzentriert sich die Suche auf Ribonukleinsäuren, kurz RNAs, die den biologischen Zustand von Zellen und Geweben besonders genau abbilden.

Doch woher wissen die Wissenschaftler, welcher Biomarker den Prostatakrebs frühzeitig anzeigt, oder welche RNA langsam wachsende Tumore von aggressiven unterscheidet? Um solche Biomarker zu finden, vergleichen die Wissenschaftler gesundes und Tumorgewebe. Ärzte des Universitätsklinikums Dresden um Prof. Manfred Wirth lagern solche Proben seit 15 Jahren in flüssigem Stickstoff ein und dokumentieren den Krankheitsverlauf der Patienten auch nach der Entlassung. Bevor die Forscher diese Proben jedoch näher untersuchen konnten, mussten sie einige Vorarbeit leisten: Sie zerteilten jede einzelne Gewebeprobe in 150 hauchdünne Schnitte – jeweils nur wenige Mikrometer dick – und klassifizierten diese neu. »Wir verfügen mittlerweile über mehr als 100.000 Gewebeschnitte mit klarer Klassifizierung. Eine Biobank in dieser Qualität gab es bislang noch nicht«, so Horn.

64 dieser Proben haben die Forscher »genomweit sequenziert« – also jegliche RNA, die in den Proben vorkommt, analysiert und quantifiziert. Dabei haben sie sehr große Datenmengen erhalten: 300.000 RNAs sind entschlüsselt, die Informationen summieren sich auf 50 Terabyte – das entspricht ungefähr 100.000 CD-ROMs. Die Wissenschaftler haben die Daten verglichen und aus den 300.000 RNAs bereits 4.000 gefunden, die als Biomarker in Frage kommen könnten. Diese messen sie nun noch einmal an einer größeren Patientengruppe nach und schränken die Auswahl immer weiter ein. »Die ersten Ergebnisse dieser Validierung haben uns begeistert«, berichtet Horn. Er sieht große Chancen, dass einige der gefundenen Biomarker die Diagnose des Prostatakrebses verbessern können.

»Das Interesse der Industrie ist gigantisch«, sagt Horn. Wenn sich die Ergebnisse von RIBOLUTION bestätigen, könnte ein entsprechender Biomarker-Assay, also ein Biomarker-Testpaket, in wenigen Jahren auf den Markt kommen – und Ärzten wie Patienten schnell und komplikationslos Aufschluss über den Prostatakrebs geben. Der Markt ist groß: über 100.000 Assays pro Jahr würden allein in Deutschland benötigt.

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