Leben und sterben lassen
Ein Protein verhindert die Selbsttötung von Immunzellen
© HZI / Schmitz
Die Apoptose, der programmierte Zelltod, ist eine Art Selbstmord-Programm der Zelle. Wird sie ausgelöst, gehen die Zellen kontrolliert zugrunde. Auf diese Weise wird zum Beispiel eine Immunreaktion beendet, nachdem der Erreger bekämpft ist: Die weißen Blutkörperchen, die so genannten Lymphozyten, töten sich dann selbst ab. Damit dies auch wirklich erst nach getaner Arbeit geschieht, unterliegt die Apoptose einer strengen Kontrolle. Ist die Regulation des programmierten Zelltods fehlerhaft, können beispielsweise Autoimmunerkrankungen, neurodegenerative Krankheiten oder sogar Krebs die Folge sein.
Für diese Kontrolle spielt das Protein c-FLIP eine wesentliche Rolle. Es existiert in drei verschiedenen Varianten, sogenannten Isoformen. Während die beiden Formen c-FLIP-L und c-FLIP-S schon gut charakterisiert sind, war über die Funktion von c-FLIP-R bisher nur wenig bekannt. Deshalb haben die Braunschweiger Forscher um Prof. Ingo Schmitz diese Isoform genauer untersucht und herausgefunden: Sie schützt die Immunzellen vor dem Apoptose-Programm. „Wenn c-FLIP-R aktiv ist, sind die Lymphozyten resistent gegen die Apoptose“, sagt der der Leiter der Arbeitsgruppe Systemorientierte Immunologie und Entzündungsforschung am HZI, der auch an der OvGU lehrt. „Erst wenn das Protein nicht mehr vorhanden ist, kann die Apoptose stattfinden.“
Klassischerweise stammen viele Erkenntnisse aus der Forschung an Mäusen und müssen danach im Menschen bestätigt werden. Hier war allerdings genau das Gegenteil der Fall: Ihre Beobachtung machten Schmitz und sein Team zunächst an menschlichen Blutzellen. Um diesen Befund im ganzen Organismus zu überprüfen, untersuchten sie eine Zuchtlinie von Mäusen, die c-FLIP in allen Blutzellen produzieren. Das Ergebnis: „Das Immunsystem der Tiere ist zwar nicht verändert, aber ihre weißen Blutzellen werden durch das c-FLIP vor Apoptose geschützt“, erklärt die Immunologin Prof. Dunja Bruder, die ebenfalls einen Lehrstuhl in Magdeburg innehat.
In der Folge sind die Mäuse weniger anfällig für Infektionen mit Listerien. Diese Bakterien können auch den Menschen befallen und werden über verunreinigte Lebensmittel übertragen. „Die Mäuse weisen niedrigere Bakterienzahlen und eine geringere Schädigung der Organe auf als normalerweise bei Listerien-Befall beobachtet werden“, sagt Bruder. Ein anhaltend hoher c-FLIP-Spiegel würde allerdings dauerhaft die Apoptose in aktivierten Lymphozyten verhindern und könnte zu Autoimmunerkrankungen führen. Darüber hoffen die Forscher bei eingehenderen Untersuchungen mehr zu erfahren.
Dennoch liegt für Ingo Schmitz ein möglicher medizinischer Nutzen der Entdeckung auf der Hand: „Wenn wir c-FLIP-R gezielt anschalten könnten, ließe sich dadurch das Immunsystem stärken“, erklärt er. Dem Körper helfen, sich selbst zu heilen: Ein viel versprechender Ansatz bei praktisch allen Krankheiten. Um ein Mittel zu finden, mit dem sich dies bewerkstelligen ließe, plant Schmitz bereits eine Suche nach geeigneten Wirkstoffen.