Gentherapie bei mitochondrialen Erkrankungen

27.09.2018 - Deutschland

Mitochondriale Erkrankungen zählen heute zu den zweithäufigsten diagnostizierten genetischen Erkrankungen weltweit, und leider gibt es immer noch keine bewährten Behandlungsstrategien. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns in Köln haben nun in einer Kooperationsarbeit einen Gentherapieansatz an Mäusen angewandt, der zu einer erfolgreichen Behandlung der Mitochondrienerkrankung in diesen Tieren führte. Damit wurde der Weg für zukünftige therapeutische Strategien am Menschen geebnet.

Mitochondrial Biology Unit, University of Cambridge

Eine virusinfizierte Zelle in einer Zellkultur, die von nicht infizierten Zellen umgeben ist. Mitochondrien in grün. Der orange-rot markierte Virus (links) befindet sich in den Mitochondrien

Jeder Schritt, jedes Lachen, jedes Wort, das wir sagen, erfordert Energie. Mitochondrien spielen dabei eine zentrale Rolle in unserem Stoffwechsel und unserer Energieproduktion. Folglich verursacht eine mitochondriale Fehlfunktion eine bemerkenswert vielfältige Gruppe von Stoffwechselerkrankungen mit einem breiten Spektrum von Symptomen, die zu schweren Behinderung führen. "Seit den 80er Jahren ist bekannt, dass Mutationen in der mitochondrialen DNA zu Krankheiten führen können", erklärt James Stewart, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns und fährt fort: "Wir kennen diese Patienten seit über 30 Jahren und beginnen erst jetzt mit der Entwicklung von Behandlungen".

Ein bemerkenswertes Merkmal der Mitochondrien ist, dass sie ihre eigene DNA enthalten. Mutationen in dieser mitochondrialen DNA (mtDNA) können zu mitochondrialen Erkrankungen führen, aber ob eine Person mit einer Mutation eine Krankheit entwickelt oder nicht, ist komplexer. In jeder unserer Zellen sind viele Kopien der mtDNA vorhanden, und normalerweise sind die krankheitsverursachenden Mutationen nur in einem Bruchteil der mtDNA Moleküle zu finden. Steigt jedoch der Anteil der mutierten Moleküle über einen bestimmten Schwellenwert, ist die mitochondriale Funktion beeinträchtigt, was zu einer mitochondrialen Erkrankung führt. Daher ist die Reduzierung des Gehalts an mutierten mtDNA-Molekülen eine mögliche Behandlungsstrategie.

Dieser Ansatz ist jedoch nicht so einfach umzusetzen, da herkömmliche Gentherapiemethoden mit der mtDNA nicht funktionieren. Wissenschaftler der Universität Cambridge, UK und der Universität in Miami, USA, schafften es einen Ansatz zum spezifischen Abbau mutierter mtDNA-Moleküle in Zellkulturen zu entwickeln. Mit einem modifizierten Virus lieferten sie ein Gen in den Zellkern, das für ein Protein kodiert, das als molekulare Schere funktioniert. Diese molekularen Scheren werden dann von der Zelle produziert und in die Mitochondrien geliefert, wo sie die mutierte mtDNA spezifisch schneiden.

Aber würde die Methode auch in komplexen Organismen wie Mäusen und Menschen, die aus vielen Gewebetypen bestehen, funktionieren und dort tatsächlich Mitochondrien behandeln? Stewart und seine Kollegen in Köln konnten die Antwort liefern. Die Arbeitsgruppe konzipierte ein Mausmodell der Mitochondrienerkrankung, das eine spezifische krankheitsverursachende Mutation in der mtDNA enthält, die im Menschen zu Störungen im Herz- und Muskelgewebe führt. Sie behandelten die Tiere mit einem abgewandelten Virus, das nur das Herz oder die Muskeln infizierte. Das Virus lieferte die molekulare Schere, um die mutierte mtDNA im Zielgewebe zu schneiden. Und tatsächlich, der Ansatz funktionierte! Der Gehalt an mutierter mtDNA wurde reduziert und die Krankheitssymptome gelindert.

"Dies ist die erste Gentherapie, die die Ursache einer Mitochondrienerkrankung bei einem lebenden Tier tatsächlich beseitigt", freut sich Stewart. Natürlich müssen vor der Anwendung der Therapie bei menschlichen Patienten detailliertere Arbeits- und Sicherheitsbewertungen durchgeführt werden. Dennoch konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sie einen Weg gefunden haben, die Ursache dieser mitochondrialen Erkrankungen zu beseitigen. Und da es einen Zusammenhang zwischen mitochondrialer Fehlfunktion und anderen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, Diabetes und vielleicht einigen Krebsarten gibt, könnte der Ansatz in Zukunft sogar einen größeren Beitrag zur Bekämpfung dieser Erkrankungen leisten.

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