Mit endogenen Viren gegen Krebs

31.08.2015 - Deutschland

Das menschliche Erbgut besteht aus einer Vielzahl von Genen. Darunter befinden sich auch Fremdgene: So wurden im Laufe der Evolution Gene von Viren integriert, von denen die meisten aber inaktiv sind. Werden sie jedoch aktiviert, können sie das menschliche Immunsystem stimulieren – und so bei der Behandlung gegen Krebs helfen. Das haben Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) jetzt zusammen mit Kollegen aus den USA nachgewiesen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler als Titelstory in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.

Gene tragen die Erbinformation des Menschen. Zu welchem Zeitpunkt und an welcher Stelle ein Gen aktiv ist, ist in jeder Zelle genau reguliert. Dieser Vorgang spielt während der normalen Entwicklung von Zellen, aber auch beim Wachstum von Tumoren eine große Rolle. Seit längerem ist bekannt, dass es Stoffe gibt – sogenannte DNA-Methylierungs-Hemmstoffe (DMI; Englisch für DNA methylation inhibitors) –, die in Tumorzellen eine Vielzahl von Genen des Immunsystems stimulieren und so zur Bekämpfung des Tumors beitragen. In klinischen Versuchen mit Lungenkrebspatienten in den USA konnte die Gabe von DMI vor einer Immuntherapie die Behandlung der Patienten signifikant verbessern.

Wie DMI die Therapie von Tumorpatienten verbessert, war bisher jedoch unbekannt. Ein internationales Team von Wissenschaftlern aus den USA und von der Universität Erlangen-Nürnberg haben nun die molekular- und zellbiologischen Ursachen aufgeklärt. Demnach aktivieren die DMI humane endogene Retroviren. Endogene Retroviren wurden im Laufe der Evolution in das menschliche Erbgut integriert, aber dann zum größten Teil inaktiviert.

Endogene Viren gezielt zur Krebstherapie einsetzen

In ihrem Projekt haben die Forscher Eierstockkrebszellen mit DMI behandelt. Und stellten fest: Durch die DMI wurden Gene aktiviert, die zur Bildung von Proteinen mit antitumoraler Wirkung – sogenannter Interferone – führten und damit schließlich zum Tod der Krebszellen. Des Weiteren beobachteten die Forscher, dass durch die DMI doppelsträngige RNA gebildet wurde – eine Nukleinsäure, die ausgehend von den genetischen Informationen essentiell für die Proteinsynthese ist. Dies ist normalerweise ein Hinweis auf eine Virusinfektion. Und tatsächlich konnten die Wissenschaftler um PD Dr. Reiner Strick vom FAU-Lehrstuhl für Geburtshilfe und Frauenheilkunde nachweisen, dass die RNA aus der Familie der endogenen Retroviren stammt.

Die aktivierten endogenen Retroviren stimulieren also die Immunabwehr. Diese Funktionsweise konnten die Wissenschaftler auch in anderen Krebserkrankungen der Lunge, Haut und Brust nachweisen. Dadurch konnten die Forscher die Tumore in verschiedene Gruppen einteilen, je nachdem, wie stark die endogenen Retroviren aktiviert wurden. „Erste vorklinische Experimente mit Hautkrebs haben gezeigt, dass die zeitgleiche Behandlung mit DMI und Immuntherapie auch einen besseren und dauerhaften Therapieerfolg erzielten“, erklärt Strick. „Jetzt, wo wir wissen, wie die DMI funktionieren, könnten sie zukünftig eventuell zur Verbesserung von Krebstherapien eingesetzt werden.“

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