Ein molekularer Baukasten zum Ausschalten von Genen

16.12.2013 - Österreich

Johannes Zuber vom IMP überwand mit seinem Team eine der letzten Hürden bei der Optimierung der RNA-Interferenz (RNAi) – einer einzigartigen Methode, mit der Gene gezielt ausgeschaltet werden können. Durch ein verbessertes Design konnten die Forscher die Effizienz der Genhemmung ganz erheblich verbessern. Bei der Suche nach neuen Medikamenten bedeutet dies weniger Aufwand und eine verbesserte Interpretation von Versuchsergebnissen. Das IMP stellt die optimierten molekularen Werkzeuge in Form eines kompletten „RNAi-Baukastens“ zur Verfügung. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe von Cell Reports nachzulesen.

IMP

RNA-Interferenz: kurze RNA-Moleküle können Gene stilllegen (künstlerische Darstellung).

RNA-Interferenz (RNAi) ist ein in der Natur weit verbreiteter Regulationsprozess, bei dem kurze RNA-Stücke (sogenannte „Haarnadelmoleküle“) mit der abgelesenen Erbinformation „interferieren“ und sie dadurch hemmen. Ursprünglich 1990 in Pflanzen entdeckt und 2001 auch in Säugern nachgewiesen, hat RNAi die Wissenschaft von Anfang an zur Entwicklung neuer experimenteller Methoden inspiriert, mit denen Gene gezielt abgeschaltet werden können. Neben breiten Einsatzmöglichkeiten in der Grundlagenforschung bietet RNAi bei der Suche nach neuen Medikamenten ein einzigartiges Verfahren, um neue Zielgene aufzudecken und zu erforschen. Trotz ihres großen Potenzials sind bisher entwickelte RNAi-Methoden technisch noch nicht ausgereift und oft ineffizient.

Lernen von der Natur

Ideen zur Verbesserung der RNAi-Technologie hatten Johannes Zuber und sein damaliger Kollege Christof Fellmann bereits 2010, als beide noch in den USA tätig waren. „Die biologischen Grundlagen der RNAi sind bisher nur teilweise verstanden. Um ein Gen gezielt auszuschalten, müssen viele Haarnadelmoleküle getestet werden, und oft funktioniert dann auch nur jedes zehnte. Für eine Verbesserung haben wir uns die Natur zum Vorbild genommen“, erklärt Zuber den Gedankengang. Er brachte das gemeinsame Projekt schließlich ans IMP, Fellmann setzte seine Karriere bei der amerikanischen Firma Mirimus fort.

Eine heute weitverbreitete RNAi-Methode beruht darauf, synthetische RNA-Sequenzen in ein molekulares „Rückgrat“ einzubetten, das natürlicherweise in der Zelle vorkommt. Die so geschaffenen RNA-Konstrukte sind der Natur nachempfunden und werden in die normalen Abläufe der Zelle eingespeist. Dennoch sind sie nicht perfekt. Johannes Zuber analysierte mit seinem Team bestimmte Sequenzen eines humanen RNA-Rückgrats, die im Lauf der Evolution äußerst stabil geblieben waren und daher wahrscheinlich relevant sind. Den Wissenschaftlern fiel auf, dass im experimentellen RNAi-Rückgrat einige dieser Sequenzen verändert waren, und durch Behebung dieser Unterschiede und systematische Tests gelang ihnen schließlich eine wesentliche Verbesserung des RNAi-Werkzeugs.

Wie die Entwicklung vom VW-Käfer zum Lamborghini

„Der Nutzen für die Forschung ist enorm“, unterstreicht Zuber die Relevanz der Ergebnisse. Mussten zuvor oft bis zu zwanzig RNAi-Varianten zum erfolgreichen Ausschalten eines Gens getestet werden, reichen mit den neuen Erkenntnissen im Schnitt vier davon aus. Auch zahlreiche Wiederholungen von umfangreichen Testserien können entfallen. Negative Ergebnisse werden leichter interpretierbar und Daten zu positiven Effekten werden bestärkt.

„Wir sprechen hier von der Entwicklung vom molekularen VW-Käfer zu einem Lamborghini“, vergleicht Zuber anschaulich. „Die Aufrüstung ist einfach durchzuführen, bestehende Reagenzien können mit minimalem Aufwand adaptiert werden“. Zuber stellt mit seiner Arbeitsgruppe am IMP alle neuen Methoden und Reagenzien für die Wissenschaft zur Verfügung, einen „kompletten Baukasten für effektive RNAi“, wie er es nennt. Kooperationspartner und Anwender am IMP, wo die Methode bereits vielfach eingesetzt wurde, sind von der neuen RNAi-Methode bereits überzeugt.

Großer Nutzen bei der Suche nach neuen Medikamenten

Zubers Studie wird es in Zukunft ermöglichen, das Potenzial der RNAi für die Krebsforschung noch besser auszuschöpfen. Trotz vieler Anstrengungen ist es bisher nicht gelungen, die RNAi direkt als Medikament im Menschen einzusetzen. Groß angelegte „RNAi-Screens“ bieten jedoch ein einzigartiges Verfahren, um die Erfolg versprechendsten Zielgene für neue Medikamente aufzudecken und zu testen, bevor der kostspielige Prozess der Medikamentenentwicklung begonnen wird. Gerade für solche groß angelegten Studien bietet die verbesserte RNAi-Methode entscheidende Vorteile, da nun mehr Gene deutlich effizienter und präziser getestet werden können, um keinen vielversprechenden Therapieansatz zu übersehen.

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