Zellulärer DNA-Sensor alarmiert bei Erbgut-Invasion
Jeder Krimi-Leser kennt das: Manchmal hat man die Lösung genau vor der Nase, ohne es zu wissen. In diesem Fall war es genauso: Das Molekül, das sich schließlich als DNA-Sensor entpuppte, war nämlich schon länger bekannt. Es fristete bislang aber ein weitgehend unbeachtetes Dasein - vor allem deshalb, weil niemand seine Funktion kannte.
Die Rede ist von einem Protein mit der kryptischen Bezeichnung AIM2. Entdeckt wurde es vor gut 10 Jahren - und zwar paradoxer Weise deshalb, weil es in manchen Zellen fehlt: So verfügen bestimmte Hautkrebszellen über kein AIM2. Daher stammt auch der Name: Absent In Melanoma, also "abwesend in Hautkrebszellen". "Die meisten anderen Körperzellen bilden jedoch AIM2", erklärt Professor Dr. Veit Hornung. "Allerdings wusste niemand, zu welchem Zweck." Bislang zumindest. Denn der Bonner Immunologe konnte jetzt zusammen mit US-Kollegen nachweisen, dass es sich bei AIM2 um den lange gesuchten Erbgut-Sensor handelt.
Die zelleigene DNA schwimmt nicht einfach frei in der Zelle herum, sondern ist im Zellkern verpackt. "Freie DNA im Zytoplasma der Zelle stammt meist von Krankheitserregern, also beispielsweise Bakterien oder Viren", erklärt Hornung. "Alternativ kann bei bestimmten Krankheitsprozessen auch körpereigene DNA freigesetzt werden." Wenn AIM2 auf einen derartigen freien DNA-Faden stößt, dockt es daran an und setzt dann eine komplizierte Signalkette in Gang. An ihrem Ende steht die Freisetzung so genannter Zytokine. Diese alarmieren die körpereigenen Abwehrtruppen. Folge ist eine Entzündungsreaktion, die den Erregern das Leben schwer machen soll. Der DNA-Sensor ist Teil des so genannten angeborenen Immunsystems, das bereits sehr früh im Laufe der Evolution entstanden ist.
Dass DNA starke Entzündungsreaktionen auslöst, nutzte unbewusst übrigens bereits Edward Jenner, der Urvater der Impfung, um das Immunsystem zu Höchstleistungen anzuspornen. "Je mehr wir in diesem Zusammenhang über die DNA-Erkennung wissen, umso besser", betont Hornung. Die Ergebnisse der Nature-Studie lassen aber auch auf ein besseres Verständnis von Autoimmunkrankheiten hoffen. Dazu zählt beispielsweise der Lupus erythematodes. Bei diesem Leiden zerstören die Abwehrzellen das körpereigene Bindegewebe. Hornung: "Es wäre möglich, dass Lupus aufgrund einer fehlgesteuerten Aktivierung von AIM2 durch eigene Erbgut-Moleküle ausgelöst werden kann."
Professor Hornung hat erst vor kurzem den Ruf auf eine Professur im Institut für Klinische Biochemie und Pharmakologie der Universität Bonn erhalten. Zuvor hat er zwei Jahre an der Universität von Massachusetts gearbeitet. Dort fand auch ein großer Teil der Arbeiten zur Rolle von AIM2 statt. Den Direktor des Instituts Professor Dr. Gunther Hartmann kennt Hornung noch aus gemeinsamen Zeiten an der LMU München.
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