Stammzellen und Krebszellen sprechen dieselbe Sprache
Die gleichen biochemischen Signale, die bei der Taufliege für die Ausbildung der Flügel verantwortlich sind, sorgen beim Menschen dafür, dass Gewebestammzellen unsere Organe funktionsfähig erhalten. Diese universelle Kommunikation der Zellen aller Organismen vom Nessel- bis zum Säugetier, der wnt-Signalweg, ist das Forschungsgebiet von Hans Clevers am Hubrecht Laboratory and Institute in Utrecht, Niederlande. Der Biologe entschlüsselte in zahlreichen Arbeiten die Rolle der wnt-Signale für die Funktion von Stammzellen und bei der Entstehung von Krebs.
Clevers konzentrierte viele seiner Untersuchungen auf die Zellen der Darmwand. Die Oberfläche des Dünndarms ist durch Abermillionen kleiner Gruben und feiner Ausstülpungen vergrößert, um die Nährstoffaufnahme zu verbessern. Die kurzlebigen spezialisierten Zellen der Darmschleimhaut müssen ständig von Stammzellen nachgeliefert werden. Im Verlaufe ihrer Ausreifung und Spezialisierung wandern die Zellen an die Spitze der Ausstülpungen, wo sie schließlich abgestoßen werden. Ist der wnt-Signalweg jedoch blockiert, so zeigte Clevers, kommt der Nachschub an spezialisierten Zellen zum Erliegen, und in die Darmschleimhaut verliert ihren charakteristischen Aufbau.
Umgekehrt werden bei Darmkrebs fast immer aktivierende Mutationen im wnt-Signalweg gefunden, meist im APC-Gen. Veränderungen in diesem Gen, so wies Clevers nach, bewirken ein "Dauerfeuer" des wnt-Signals, so dass die Zellen in einen Stammzell-ähnlichen Zustand versetzt werden. Dadurch entgehen sie Differenzierung und Abstoßung und überleben so lang, dass sich weitere Mutationen anhäufen. Dies kann letztendlich zur Entartung und zu Krebs führen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die wnt-Signale die Bösartigkeit von Tumoren entscheidend fördern und daher vielversprechende Ziele für neue Therapieansätze darstellen.
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