Protein-Arsenal der Hefe katalogisiert
Max-Planck-Forscher klären in einem Experiment das Proteom von Bäckerhefe auf
Seit der ersten Veröffentlichung des menschlichen Genoms im Jahr 2001 weiß man, dass nicht allein die Analyse von Genen für das Verständnis von Leben wichtig ist.
Wissenschaftler versuchen vielmehr das Proteom zu identifizieren.
Die Forscher erhoffen sich so, die Entwicklung und Lebensfähigkeit von Organismen sowie die Entstehung von Krankheiten besser zu verstehen. Auf dieser Grundlage sollen dann spezifische Therapeutika entwickelt werden.
Als erstes Genom eines Eukaryonten wurde das Hefegenom sequenziert. Nunmehr ist auch das Proteom der Hefe vollständig aufgeklärt worden.
Die Wissenschaftler verglichen das Proteom haploider mit dem diploider Hefezellen. Sie fanden heraus, dass die Proteine des Pheromonsignalweges verstärkt in den haploiden Zellen vorliegen. In den diploiden Zellen tauchten diese chemischen Botenstoffe jedoch nicht auf. Die Zellen benötigen die Pheromone zur Paarung. Sinnvollerweise setzt die Hefe nur im paarungsbereiten Stadium Energie für die Pheromon-Bildung ein.
Die Max-Planck-Forscher spürten noch weitere Unterschiede im Proteom der beiden Zellstadien auf. Der Vergleich ist deshalb interessant, weil beide Zellen identische Gene besitzen, jedoch für ihre unterschiedliche Lebensweise und Funktion ein völlig unterschiedliches Protein-Set benötigen. Auch Leber- und Muskelzellen eines Menschen weisen eine gleiche genetische Zusammensetzung auf, obwohl sie völlig unterschiedliche Funktionen im Körper ausüben.
"Wir haben bewiesen, dass es mit unserem Forschungsansatz möglich ist, dass gesamte Proteom eines Organismus aufzuklären. Jetzt müssen wir die Methoden verfeinern und unsere Analysen ausdehnen, um weitere Proteome zu entschlüsseln", sagt Matthias Mann.
Der Vergleich des Proteoms der beiden Wachstumsstadien - diploid und haploid - eröffnet neue Einblicke in die Regulation der Zell-Differenzierung, die Entwicklung von Geweben und die Entstehung von Krankheiten.
Wie bei der Bestimmung des Hefe-Proteoms, nutzten die Max-Planck-Forscher an der Fruchtfliege Drosophila die von Matthias Mann entwickelte sogenannte SILAC-Technik (Stable Isotope Labeling by Amino Acid by Cell Culture), die funktionale Proteom-Analysen ermöglicht. Dabei werden einzelne Aminosäuren der Proteine im Nährmedium der Zellen oder im Futter der Modellorganismen mit schwereren Isotopen markiert. Dadurch ist es möglich, das Proteom von Zellen oder Organismen zu analysieren und zu vergleichen. Denn aus dem Verhältnis von schweren zu leichten Proteinen, die gebildet werden, lässt sich das Proteom quantitativ mit außergewöhnlicher Genauigkeit bestimmen.
Zugleich mit dieser quantitativen Analyse des Drosophila-Proteoms hemmten die Martinsrieder Wissenschaftler und ihre Kollegen von der Universität München die "Übersetzung" bestimmter Gene in Proteine.
Dadurch konnten sie beispielsweise die Regulation eines Gens namens ISWI untersuchen, das bei allen höheren Organismen eine wichtige Rolle bei der Differenzierung von Eizellen spielt.
Die Forscher identifizierten 4100 Proteine in den Zellen der Fruchtfliege. Nachdem sie das Gen ISWI gezielt ausgeschaltet hatten, veränderte sich die Synthese von mehr als 300 Proteinen. Diese Veränderungen im Proteinmuster korrelierten jedoch kaum mit denen, die mit der herkömmlichen Micro-Array-Methode gefunden wurden. "Die Ergebnisse zeigen, dass unser Verfahren besser geeignet ist, die Regulation einzelner Gene in verschiedenen Organismen wie etwa Fruchtfliege, Maus oder Mensch zu verstehen", erklärt Matthias Mann.
Originalveröffentlichungen: Lyris M. F. de Godoy et al.; "Comprehensive mass-spectrometry-based proteome quantification of haploid versus diploid yeast"; Nature Advance Online Publication, 29. September 2008
Tiziana Bonaldi et al.; "Combined use of RNAi and quantitative proteomics to study gene function in Drosophila"; Molecular Cell, 5. September 2008