Neue Forschungsergebnisse zum Leben von Ötzi
Zur Klärung dieser Frage untersuchten die Wissenschaftler des Instituts für Technische Biochemie der Saar-Universität unter der Leitung von Professor Dr. Elmar Heinzle und in Zusammenarbeit mit der Firma Genefacts nun mehrere Kleidungsproben der Eismumie: Wären die Kleider vor allem aus Wildtierarten gefertigt, so würde das auf die ältere Jäger- und Sammlerkultur hindeuten, ergäben die Analysen dagegen domestizierte Tierarten, so wäre dies ein Hinweis auf die fortschrittlichere Hirten- und Bauerngesellschaft.
Die Saarbrücker Wissenschaftler analysierten vier Kleidungsproben von Ötzi: das Oberleder seiner Mokassins, seine Leggings oder "Beinlinge" und seinen Mantel (zwei Proben). Ergebnisse: Das Oberleder der Schuhe wurde aus Rinderfell gemacht, während die drei anderen Proben von Schafen herstammen. Diese Resultate unterstützen die soziokulturelle Theorie, die in ihm einen Angehörigen der weiter entwickelten Bauern- und Viehzüchtergesellschaft sieht und nicht der früher angesiedelten Jäger- und Sammlergesellschaft.
Die Analyse der Kleidungsproben beruht auf einer proteinchemischen Methode, die Dr. Klaus Hollemeyer vor wenigen Jahren am Institut für Technische Biochemie unter der Leitung von Prof. Dr. Elmar Heinzle in Kooperation mit Wolfgang Altmeyer von der Firma Gene-Facts entwickelt hat. Ursprünglich für die Identifizierung von Federn und Daunen zur Qualitätskontrolle in der Bettwarenindustrie entwickelt, stellte sich schnell heraus, dass auch die tierische Herkunft von Haaren bzw. Fellstücken ermittelt werden kann. Dies gelingt auch, wenn die Felle gegerbt und sogar gefärbt sind. Die Forscher erstellten daraufhin Bibliotheken mit den Peptidmustern von unterschiedlichsten Referenztieren und die entsprechenden mathematischen Auswertekriterien.
Für die Analyse wird eine kleine Haar- oder Fellprobe enzymatisch verdaut und die aus den Haareiweißen entstehenden Peptid-Spaltstücke nach ihrer Molekülgröße mittels der MALDI-TOF-Massenspektrometrie geordnet. Es bilden sich typische Muster der Spaltstücke, die von Tierart zu Tierart unterschiedlich sind. Die Muster von unbekannten Proben werden dabei mit Mustern bekannter Tierarten verglichen und mittels mathematischer Algorithmen die Ähnlichkeiten der Muster bestimmt. Identische Muster bedeuten dabei eine sichere Identifizierung. Zum Mustervergleich wurden 300 verschiedene Tierproben vermessen und gespeichert.
Das Verfahren, das unter dem Namen "SIAM-Methode" (Species-Identification of Animals using MALDI-TOF-MS) entwickelt wurde und seit Herbst letzten Jahres unter Patentschutz steht, hat seinen Eignungstest für die Ötzi-Proben bestanden - trotz des hohen Alters der Proben. "Alterungs- und Zerfallsprozesse der DNA machen bei den mehr als 5000 Jahre alten Ötzi-Proben den erfolgreichen Einsatz genetischer Methoden oft unmöglich", sagt Dr. Klaus Hollemeyer. Das gleiche gelte für mikroskopische und elektronenmikroskopische Verfahren: Sie sind bei archäologischen Proben mit häufig nicht mehr intakten Oberflächenstrukturen ebenfalls kritisch zu bewerten, erläutert der Biologe.
Originalveröffentlichung: Klaus Hollemeyer et al.; "Species Identification of Oetzi's Clothing with MALDI-TOF Mass Spectrometry based on Peptide Pattern Similarities of Hair Digests"; Rapid Communication in Mass Spectrometry 2008.
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