Partnerwahl hängt von den Genen ab

26.09.2007 - Madagaskar

Lemuren-Weibchen gehen oft fremd und optimieren so die genetische Ausstattung ihrer Kinder. Das zeigt eine Studie an Halbaffen in Madagaskar. Demnach wählen Maki-Weibchen Sexualpartner aus, deren Erbgut besonders "gesund" ist. Die Autoren, ein Team aus dem Leibniz- Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und Kollegen, berichten über ihre Arbeit.

Simone Sommer / IZW

Untreue mit System: Makiweibchen auf Madagaskar optimieren mit Fremdgehen die genetische Ausstattung ihrer Nachkommen.

Bei der Partnerwahl spielen Gene eine wichtige Rolle. Das ist aus Versuchen mit unterschiedlichen Tierarten seit längerem bekannt. Ob auch Menschen ihre Partner nach genetischen Merkmalen auswählen, ist nach wie vor offen. Vieles spricht aber dafür. Jetzt hat eine Studie an Halbaffen in Madagaskar gezeigt, dass Maki-Weibchen Sexualpartner auswählen, deren Erbgut besonders "gesund" ist. Es ist nach Aussage der Wissenschaftler die erste Studie dieser Art an frei lebenden Primaten.

Rund zehn Jahre lang sammelten Nina Schwensow und Prof. Simone Sommer vom IZW und ihre Kolleginnen Dr. Joanna Fietz und Dr. Kathrin Dausmann Daten in Madagaskar. Begonnen hatten sie ihre Arbeit als Forscherinnen der Universität Hamburg in der Arbeitsgruppe von Professor Jörg Ganzhorn. Sie untersuchten spezielle Immungene aus dem "Major Histocompatibility Complex", kurz MHC. Diese spielen auch eine Rolle bei der Ausprägung des individuellen Körpergeruchs. Studienobjekt war die Lemurenart Fettschwanzmaki Cheirogaleus medius . Diese pflegen eine lebenslange Partnerschaft; die Mithilfe des Männchens ist für eine erfolgreiche Jungenaufzucht unerlässlich. Allerdings gehen die Weibchen notorisch fremd: "Über 40 Prozent der Lemuren-Babys stammten nicht vom Sozialpartner", berichtet die Projektleiterin Simone Sommer. "Das ist ein ungewöhnlich hoher Anteil." Die Partnerwahl geht bei diesen Tieren von den Weibchen aus, die Männchen haben keine Möglichkeit, Partnerinnen gegen deren Willen zu begatten.

Welche genetischen Kriterien spielten nun eine Rolle bei der Wahl des Sexualpartners? "Es gibt hauptsächlich zwei Hypothesen, denen wir nachgegangen sind", berichten Nina Schwensow und Prof. Sommer. Zum einen könne es sein, dass die Weibchen versuchen, Partner zu finden, deren genetische Ausstattung möglichst verschieden von der eigenen ist. Dann wäre der Nachwuchs genetisch verschieden von beiden Eltern und eine hohe genetische Variabilität würde über Generationen weitervererbt werden. Die andere Hypothese besagt, dass Weibchen nach Partnern suchen, deren genetische Ausstattung möglichst "heterozygot" und damit "gut" ist. Das heißt, die Männchen besitzen in ihrem Erbgut viele unterschiedliche Ausprägungen ("Allele") der MHC Gene. Vereinfacht gesagt: Gefragt sind Männchen entweder wegen ihrer Verschiedenheit oder wegen eines besonders "gesunden" Erbguts.

"Beides ist der Fall", berichtet Simone Sommer. Die Maki-Weibchen wählen demnach als Lebenspartner bevorzugt Männchen mit möglichst unterschiedlicher genetischer Ausstattung und gleichzeitig mit einem hohen Grad an Heterozygotie. Bei den Seitensprüngen dagegen spielt die Verschiedenheit des Erbgutes des Männchens die tragende Rolle. "Wir gehen davon aus, dass die Weibchen mit dieser Strategie gleichsam das Erbgut ihrer Nachkommen optimieren und eine zu hohe genetische Ähnlichkeit zwischen den Lebenspartnern korrigieren", erläutert Simone Sommer. Denn Weibchen, die besonders ähnliche Partner haben, betrügen diese häufiger als Partnerinnen von unähnlichen Männchen. Da diese Variabilität der MHC-Gene eine zentrale Rolle im Immunsystem spielt, scheint das evolutionäre Ziel zu sein, eine möglichst hohe Parasitenresistenz der Nachkommen zu erreichen und die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umweltbedingungen zu gewährleisten. Genau das schaffen die Maki-Weibchen mit ihrer Partnerwahl - und den Seitensprüngen.

Originalveröffentlichung: Nina Schwensow, MHC-associated mating strategies and the importance of overall genetic diversity in an obligate pair-living primate, Evolutionary Ecology 2007

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