Balance der Neubildung von Blutgefäßen entscheidet über Bösartigkeit

02.08.2007

Mikroskopisch kleine, neu entstandene Tumoren können über Monate oder gar Jahre hinweg in einem Schlafzustand verharren, ohne eigene Blutgefässe auszubilden. Erst eine Art zellulärer Schalter bewirkt, dass Gene aktiviert werden, die für das Aussprossen neuer Adern notwendig sind. Mit der Gefäßneubildung gehen oft schnelles, invasives Tumorwachstum und die Bildung von Metastasen einher. Medikamente, die gegen Schlüsselmoleküle der Angiogenese gerichtet sind, verlängern heute bereits das Leben vieler Krebspatienten.

Dr. Dr. Amir Abdollahi und Professor Dr. Dr. Peter Huber im Deutschen Krebsforschungszentrum untersuchten gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Heidelberg und aus den USA, was sich beim Umlegen des Angiogenese-Schalters auf molekularer Ebene abspielt. Die Wissenschaftler prüften die genetische Antwort von Blutgefäßzellen (Endothelzellen) auf bekannte angiogenesefördernde Faktoren und Angiogenese-Inhibitoren. Dabei offenbarte sich ein Netzwerk aus hunderten von Genen, das die Gefäßbildung reguliert. Das Netzwerk umfasst sowohl bekannte Gene, als auch solche, die bislang noch nicht mit Angiogenese in Verbindung gebracht wurden. Im "proangiogenen" Zustand sind die angiogenesefördernden Gene angeschaltet, die antiangiogenen Gene abgeschaltet. Der Organismus reagiert darauf mit dem Aussprossen neuer Blutgefäße. Beim "antiangiogenen" Zustand des Gen-Netzwerks verhält es sich genau umgekehrt, die Blutgefässbildung wird verhindert.

Messungen der Genaktivität in Gewebeproben von Patienten mit Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse zeigten die klinische Bedeutung dieser Befunde. Vom normalen Pankreasgewebe über chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung bis hin zum Pankreaskrebs fanden die Wissenschaftler ein stetiges Ansteigen der Aktivität derjenigen Gene, die zuvor im Zellexperiment als angiogenesefördernd ermittelt worden waren. Diese Tendenz wurde an PPARdelta, einem Gen, dessen Bedeutung bei der Tumorentstehung und Gefäßbildung bislang nicht bekannt war, genauer analysiert. Die Wissenschaftler zeigten, dass die Konzentration des PPAR?-Proteins vom Normalgewebe über die entzündete Bauchspeicheldrüse bis zum metastasierenden Pankreaskrebs kontinuierlich ansteigt. Auch andere bösartige Tumoren, etwa Brust- oder Prostatakrebs, bilden erhöhte Mengen des angiogenesefördernden Eiweißes.

Um die tatsächliche Rolle des Proteins auf die Tumor-Gefäßbildung zu untersuchen, transplantierten die Wissenschaftler genveränderten Mäusen, die kein eigenes PPARdelta ausbilden, Haut- und Lungenkrebszellen. Im Vergleich zu normalen Tieren wuchsen die Tumoren in den genveränderten Mäusen bei schlechterer Gefäßversorgung deutlich langsamer.

PPARdelta ist aber nur eine der vielen zentralen Schaltstellen im angiogenen Netz. "Die Regulation der Angiogenese scheint noch komplexer zu sein als bisher angenommen", sagt Peter Huber, Leiter des Projekts. " Wir meinen daher, dass es bei einer Krebstherapie nicht ausreicht, nur einen der Beteiligten zu hemmen. Die antiangiogene Therapie ließe sich möglicherweise verbessern, wenn an mehreren der zentralen Schaltstellen des Netzes gleichzeitig angegriffen würde. Eine davon könnte PPARdelta sein."

Originalveröffentlichung: Amir Abdollahi, Christian Schwager, Jörg Kleef, Irene Esposito, Sophie Domhan, Peter Peschke, Kai Hauser, Philip Hahnfeldt, Lynn Hlatky, Jürgen Debus, Jeffrey M. Peters, Helmut Friess, Judah M. Folkmann und Peter E. Huber: "Transcriptional network governing the angiogenetic switch in human pancreatic cancer."; Proceedings of the National Academie of Science 2007.

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