Wie junge Biotech-Firmen der Pleite entgehen
Manchmal lohnt es sich eine andere Richtung einzuschlagen. Auch in wissenschaftlicher Hinsicht. Denn eigentlich könnte Holger Patzelt als promovierter Chemiker irgendwo an einem Institut seinen Forschungen in aller Seelenruhe nachgehen. Stattdessen hatte sich der Nachwuchswissenschaftler dazu entschlossen, noch ein weiteres Studium an seine erste akademische Ausbildung anzuknüpfen und schloss an seine Promotion in Biowissenschaften in Heidelberg auch noch eine Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bamberg an.
Als er vor gut einem Jahr seine Dissertation zum Thema "Biotechnologische Unternehmensgründungen in Deutschland" abschloss, ahnte er nicht, dass er mit dieser Arbeit einen gleichermaßen erfolgreichen wie einträglichen Coup hinlegte. Zuerst bekam er von der sozial- und betriebswirtschaftlichen Fakultät seiner Alma Mater für dieses Werk den mit 2 500 Euro Preisgeld ausgestatteten "Haarmann-Preis" für die beste Doktorarbeit 2006/2007. Und jetzt folgte die nächste Auszeichnung quasi auf dem Fuße mit dem in dieser Woche durch die Bundeskanzlerin verliehenen Fürther Ludwig-Erhard-Preis.
Seine Dissertation, mit der der 33jährige soviel Aufmerksamkeit und Auszeichnungen auf sich zieht, beschäftigt sich mit unterschiedlichen Themengebieten im Bereich der Gründungsforschung in der Biotechnologiebranche und zeigt Probleme in diesem Bereich sowie deren Lösung auf. "Schließlich gilt die Biotechnologiebranche zu den weltweit wichtigsten Innovationsmotoren der letzten zwei Jahrzehnte", skizziert er sein Forschungsfeld. Moderne biotechnologische Produkte und Verfahren ermöglichten die Erforschung molekularer Prozesse in menschlichen, tierischen, pflanzlichen und bakteriellen Organismen, wodurch z. B. die Entwicklung neuer Therapeutika und Diagnostika erst greifbar werde. Mit diesen Produkten erzielten manche Biotechnologiefirmen jährliche Umsätze von mehreren Milliarden Euro, wobei allerdings die Führung dieser Unternehmen an Gründer und Manager hohe Ansprüche stelle. "Allein in Deutschland meldeten in den Jahren 2002 bis 2004 über 80 junge Biotech-Unternehmen Insolvenz an, was fast einem Viertel der gegenwärtig existierenden Biotechnologiefirmen entspricht", so Patzelt. Diese hohe Insolvenzrate führe dazu, dass viele Innovationen nie zur Marktreife gelangen. "Ein Hauptgrund für das Scheitern dieser Unternehmen sind Fehler in der Unternehmensführung", erklärt der junge Doppeldoktor. In seiner Arbeit zeigt er anhand einer Anzahl industriespezifischer Fallstudien, wie Manager beispielsweise durch die Anpassung ihrer Finanzierungsstrategie in Zeiten knappen Kapitalangebots, M+A-Transaktionen und ein erfolgreiches Krisenmanagement das Überleben und Wachstum biotechnologischer Unternehmen sichern und damit gewährleisten können, dass viel versprechende, innovative Produktkandidaten die Marktreife erreichen.
Mit diesem Lösungsansatz machte er unter elf Bewerbern um den Fürther Ludwig-Erhard-Preis bei der Jury das Rennen. "Ich habe wohl mit meinem Thema ganz richtig gelegen", freut er sich über die erneute Auszeichnung, bei der er diesmal sogar die Bundeskanzlerin kennenlernen durfte. Der Wechsel von der Chemie zur Ökonomie mag auf den ersten Blick nicht unbedingt als sehr zielstrebig erscheinen - für Holger Patzelt erwies er sich als Schritt in die richtige Richtung. "Ich wollte einfach zu der Naturwissenschaft noch eine andere Disziplin studieren", erklärt er seinen damaligen Sinneswandel. Doch auch ohne die Preise und Auszeichnungen hält er seinen wissenschaftlichen Kurswechsel für eine Bereicherung. "Ich habe dabei festgestellt, dass es noch faszinierender ist die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Biologie zu erforschen als ihre Grundlagen im Labor." Damit steht für ihn auch die nähere Zukunft fest. Einen weiteren Wechsel des Forschungsgebietes werde es nicht geben, beteuert er. Stattdessen setzt er ganz auf Kontinuität - in doppelter Hinsicht: "Ich werde in meiner Arbeitsgruppe weitermachen und dabei die nachhaltige Unternehmensgründung untersuchen. Da gibt es noch sehr wenig drüber und ich will mal schauen, was dabei rauskommt", sagt er über seine Pläne und fügt allerdings einen Satz hinzu, der ein Hintertürchen andeutet: "Möglichkeiten kommen oft unvorhersehbar - manchmal muss man dann einfach 'ja' dazu sagen."