Genforschung beim Sippentreffen: Mutation im Erbgut einer weitläufigen Mennonitenfamilie entdeckt
Augenfälligstes Symptom der Krankheit ist der extreme Juckreiz. Manche Patientinnen lassen sich nachts von ihren Angehörigen ans Bett fesseln, um sich nicht blutig zu kratzen. Betroffen sind ausschließlich Frauen. Die Symptome treten meist nur im letzten Drittel der Schwangerschaft auf - warum, ist unbekannt. Besonders gravierend: Das Risiko einer Totgeburt ist deutlich erhöht.
Die Patientin, die in die Universitätsklinik Bonn eingeliefert wurde, kannte die Anzeichen: Ihre Tanten, ihre Schwester, viele Kusinen - sie alle hätten während der letzten Schwangerschaftsmonate unter starkem Juckreiz gelitten, sagte sie bei der Untersuchung. "Da wurden wir natürlich hellhörig", erinnert sich Gudrun Schneider. "Wir wollten herausfinden, ob die Schwangerschafts-Cholestase genetische Ursachen hat - und wenn ja, welche", sagt sie. Kein einfaches Unterfangen, denn für Vererbungs-Untersuchungen benötigt man viele Betroffene, die am besten noch miteinander verwandt sein sollten. Die Patientin entpuppte sich in dieser Hinsicht als wahrer Glücksfall: Sie stammt aus einer weitläufigen Mennoniten-Familie in Paraguay. "Mennoniten haben oft sehr große Familien, deren Angehörige traditionell einen engen Kontakt pflegen", erläutert Gudrun Schneider, die heute an der Universität Zürich arbeitet. "Die Familie unserer Patientin umfasst drei Generationen mit knapp 100 Mitgliedern in Kanada, Paraguay, Deutschland und Kasachstan."
Schon seit einiger Zeit wird vermutet, dass die Krankheit genetische Ursachen hat. Die bisherigen Familienstudien kranken alle an der kleinen Patientenzahl, die ihre Aussagekraft einschränkt. Mit Unterstützung der Herbert-Reeck-Stiftung machte sich Gudrun Schneider daher zu einem Sippentreffen nach Paraguay auf, um Material für eine genetische Untersuchung zu sammeln. Mit mehr als 50 Proben kam sie zurück nach Bonn - darunter das Blut von sechs Frauen, die in früheren Schwangerschaften über starken Juckreiz geklagt hatten. Damit hatten die Wissenschaftler genügend Material für eine genetische Analyse. Und sie wurden fündig: Sie entdeckten im Blut aller Betroffenen eine unbekannte Mutation im so genannten MDR3-Gen. "Das Gen enthält die Information für ein bestimmtes Transportprotein in der Leber. Die von uns gefundene Mutation führt wahrscheinlich dazu, dass dieser Transporter nicht richtig arbeitet", erläutert Dr. Reichel, der inzwischen die Klinik Hartwald des Rehabilitationszentrums Bad Brückenau leitet.
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