Der rote Rhein hat sich 20 Jahre nach der Sandoz-Katastrophe erholt

01.11.2006

(dpa) Vor 20 Jahren war der Rhein rot, die Luft stank, und meterhoch schlugen Flammen aus einer Lagerhalle des Chemieunternehmens Sandoz. Niemand habe sich damals einen solchen Schaden vorstellen können, heißt es in diesen Tagen bei den Chemiegiganten im Raum Basel. Und eigentlich könne er so auch nicht mehr eintreten. Am 1. November 1986 jedenfalls reagierten einige Verantwortliche ziemlich kopflos, als durch das Löschen der «Schweizerhalle» Wasser in den Rhein gelangte, das mit etwa 20 Tonnen Gift angereichert war. Rund um den Unglücksort gingen alle Fische und Wasserpflanzen ein. Die Trinkwasserentnahme wurde bis in die Niederlande für fast drei Wochen eingestellt. Heute ist der Rhein sauberer als vor 100 Jahren.

Die Fotos aus der Zeit sind beeindruckend. Ein roter Fluss durchzieht Basel. Die mit dem Löschwasser in den Fluss gelangten Biozide waren mit einer roten Markierfarbe ausgestattet, die den Rhein verfärbte. Dieses Rot, obwohl selbst ungiftig, wurde als Zeichen der Vergiftung des Flusses wahrgenommen, in den Tonnen von Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden gespült worden waren.

Der Brand war kurz nach Mitternacht in der Lagerhalle 956 von Sandoz ausgebrochen und wütete fünf Stunden. Erst gegen 5.00 Uhr bekam die Feuerwehr den Großbrand unter Kontrolle. Das Feuer erfasste über tausend Tonnen diverser Chemikalien - lange wusste niemand, was genau in der Halle lag. Bei den Ärzten meldeten sich nach dem Unfall insgesamt 1252 Patienten. Sie litten vor allem unter Reizungen der Atemwege und der Augen.

Verurteilt wurden später zwei Feuerwehrleute, die Löschwasser in den Rhein geleitet hatten - der Firmenleitung war keine Verantwortung nachzuweisen. Sandoz - 1996 mit Ciba-Geigy zu Novartis fusioniert - leistete Schadenersatzzahlungen in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden von insgesamt 42 Millionen Franken, nun etwas weniger als 27 Millionen Euro.

Den Schaden beziffert Novartis heute auf 141 Millionen Franken. 1987 stiftete das Unternehmen zehn Millionen Franken für einen Rheinfonds, der Forschungsprojekte über das Ökosystem des Rheins finanzierte. «Obgleich an Leben und Gesundheit, wie sich herausstellte, durch den Großbrand niemand ernstlich zu Schaden kam, wurde in der Region Basel das vorher selbstverständliche Vertrauen der Bevölkerung in die chemische Industrie durch den Brand und durch die nachfolgende Ungewissheit erschüttert», schrieb Novartis jetzt dazu.

Doch das Leben im Rhein erholte sich verblüffend rasch. Man sah damals nur die toten Tiere, nicht die Überlebenden. Überdies wanderten von Nebenflüssen und Bächen bald wieder Fische, Krebse, Muscheln, Schnecken und anderes zu. Heute machen die zugewanderten Tiere 90 Prozent der Biomasse aus, wie das Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz der Universität Basel herausgefunden hat.

Das Unglück habe viel bewegt, sagt Jürg Hofer, der heute das Umweltamt in Basel leitet. Die Schweiz bekam eine Störfallverordnung, und auf Betriebsebene baute man Löschwasser-Rückhaltebecken und dezentralisierte Chemikalienlager. «Die ganze Branche hat gelernt.» Und Novartis meint: «Der Großbrand hatte auf den Umfang und auf die internationale Koordination der Rheinsanierung eine heilsame, beschleunigende Wirkung.»

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