Erstmals Polyketide in Coli-Bakterien gefunden
"Wenn man die krank machenden Eigenschaften der Bakterien wirklich verstehen und bekämpfen will, reicht es aber nicht aus, nur einzelne Gene oder Proteine anzusehen", sagt der Infektionsbiologe Jörg Hacker von der Uni Würzburg. Stattdessen sei es nötig, das gesamte Erbgut zu betrachten. Denn viele Faktoren, mit denen Infektionserreger eine Krankheit auslösen, kommen auch bei harmlosen Verwandten vor, wo sie eben nicht krankheitserregend wirken.
Das neu entdeckte Polyketid findet sich bei jeder der drei genannten Coli-Varianten. Wirkt es auf die Zellen höherer Organismen ein, lässt es deren DNA auseinanderbrechen. Das behindert die Zellteilung. "Diesen Befund kann man in zwei Richtungen diskutieren", so Hacker. Zum einen lasse sich darin eine Schädigung des Erbguts und der Zelle sehen, verbunden mit einem höheren Krebsrisiko.
Zum anderen könne durch das Zerbrechen der DNA auch die Aktivität von Zellen gebremst werden: Möglicherweise halten die Coli-Bakterien mit Hilfe des Polyketids die Immunabwehr in Schach und sichern so ihr Dasein im Darm. Und das ist letzten Endes auch für den Menschen wichtig. "Ohne Darmbakterien wären wir alle nicht lebensfähig", sagt Hacker. Zudem sei es denkbar, dass das Polyketid auch den Vermehrungsdrang von Krebszellen unterdrücken könnte.
Aus der Klasse der Polyketide stammen viele Wirkstoffe, die in der Medizin eingesetzt werden - etwa bei Infektionen, in der Krebstherapie oder zur Unterdrückung des Immunsystems. Dass Coli-Bakterien einen Vertreter dieser Substanzklasse produzieren können, eröffnet nun neue Wege: "Möglicherweise können Polyketide und verwandte Substanzen künftig biotechnologisch mit Hilfe der Bakterien hergestellt werden", so der Würzburger Professor. Für die Produktion von Insulin zum Beispiel werden Coli-Bakterien schon seit langem eingesetzt.
Originalveröffentlichungen: J.-P. Nougayrède, S. Homburg, F. Taieb, M. Boury, E. Brzuszkiewicz, G. Gottschalk, C. Buchrieser, J. Hacker, U. Dobrindt, E. Oswald; "Escherichia coli induces DNA double strand breaks in eukaryotic cells", Science 2006, Vol. 313, Issue 5787.
E. Brzuszkiewicz, H. Brüggemann, H. Liesegang, M. Emmerth, T. Ölschläger, G. Nagy, K. Albermann, C. Wagner, C. Buchrieser, L. Emödy, G. Gottschalk, J. Hacker, U. Dobrindt; "How to become an uropathogen: comparative genomic analysis of extraintestinal pathogenic Escherichia coli strains", PNAS 2006, Vol. 103, Issue 32.
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