Das Geheimnis des Zuckerwassers

Mit Terahertzstrahlung uraltes Rätsel gelöst: Wasser ist aktiv

14.08.2006

Eine ganz neue Rolle schreiben Chemiker der Ruhr-Universität Bochum dem Wasser zu: Es ist kein "passiver Zuschauer" biologischer Prozesse, sondern ein "aktiver Mitspieler". Mit Hilfe der noch jungen Terahertz-Technologie ist es Forschern um Prof. Dr. Martina Havenith erstmals gelungen, einen genaueren Einblick in die blitzschnelle Reaktion von Wasser und Zucker zu bekommen. Die Erkenntnisse sind ein entscheidender Schritt, um das uralte Rätsel zu lösen, wie Zellen den Zucker als Schutzmechanismus verwenden, damit sie zum Beispiel nicht erfrieren.

Bekannt ist, dass Proteine und Membrane von Zellen bei extremen Bedingungen, z. B. Kälte, länger intakt bleiben, wenn man Zucker in Wasser löst. "Woran das genau liegt, darüber gab es bis heute nur Spekulationen", sagt Prof. Havenith. Die bisher verwendeten Untersuchungsmethoden reichten nicht aus, um die Veränderungen sichtbar zu machen: "Da das veränderte Wasser am Zucker mit dem Umgebungswasser im ständigen Austausch ist, sieht man ähnlich wie bei einer Fotografie von einer sich bewegenden Menge nur dann Einzelheiten, wenn man die Aufnahmen kurz belichtet, also eine sehr schnelle Messmethode anwendet", so Havenith.

Die Lösung fanden die Bochumer Chemiker und ihr Kooperationspartner, der amerikanische Chemiker Prof. David Leitner, in Form der hochmodernen Terahertz-Strahlung: Sie ergibt neue Informationen über abgebildete Objekte im Spektralbereich zwischen sichtbarem Licht und Radarfrequenzen. "Damit können wir erstmals den Bereich zwischen Mikrowellen und Infrarot-Strahlung erschließen", so Havenith. Voraussetzung für den Erfolg der Bochumer Forscher war jedoch, dass sie einen neuen, besonders leistungsstarken Laser in diesem technologisch "schwierigen Frequenzbereich" einsetzen konnten.

Mit Hilfe der so genannten Terahertz-Absorptionsspektroskopie war es möglich, die Veränderung des Umgebungswassers in einer Zuckerlösung mit Laktose (Milchzucker) sichtbar zu machen. Das Ergebnis: Ein einziges Zuckermolekül reicht aus, um 123 umliegende Wassermoleküle in ihrer Bewegung entscheidend zu verlangsamen. "Hier gibt es eine unmittelbare und direkte Wechselwirkung. Das Wasser kann sich mit Wasserstoffbrücken an den Zucker binden. Es entsteht eine anziehende Kraft, so dass die Wassermoleküle sich nicht mehr beliebig in jede Richtung bewegen können", erklärt Martina Havenith.

"Unsere Ergebnisse unterfüttern eine These, die immer noch kontrovers diskutiert wird: Wasser ist demnach kein passiver Zuschauer, sondern aktiver Mitspieler bei der Proteinfaltung und Regelung von Zellfunktionen", so Prof. Havenith. "Setzt man die Beweglichkeit des Wassers herunter, so führt dass zu einer Verlangsamung aller Prozesse, was die größere Stabilität von Proteinen in Zuckerwasser erklären würde."

Originalveröffentlichung: U. Heugen, G. Schwaab, E. Bründermann, M. Heyden, X. Yu, D.M. Leitner, M. Havenith; "Solute-induced retardation of water dynamics probed directly by THz spectroscopy."; PNAS 2006, 103, 12301-12306.

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