Proteine als Eltern
Konstruktion von Proteinen mit neuen mechanischen Eigenschaften durch Rekombination von Protein-Fragmenten
Die Forscher um Hongbin Li wählten für ihre Experimente zwei Domänen von Herzmuskel-Titin. Titin, ein riesiges Molekül, ist für die Ruhespannung unserer Muskeln verantwortlich und zieht sie nach einer Dehnung wieder zusammen. Je nach Muskelart gibt es Unterschiede: Das Titin im Herzmuskel ist weniger dehnbar als das der Skelettmuskulatur und verleiht dem Herz die nötige Festigkeit, um dem einströmenden Blut einen ausreichenden Widerstand entgegenzusetzen. Die Wissenschaftler wählten als "Elterngeneration" zwei kugelige Titin-Domänen aus, I27 und I32, deren mechanische Eigenschaften bereits intensiv erforscht sind. Beide sind ähnlich aufgebaut und bestehen aus den Proteinabschnitten A, A', sowie B bis G. Die Forscher tauschten in den für I27 und I32 kodierenden Genen einzelne, definierte DNA-Abschnitte aus ("DNA-Shuffling"). Gentechnisch stellten sie aus diesem Erbmaterial vier verschiedene Protein-"Kinder" her: Ein I27 mit dem A'/G-Abschnitt aus I32, ein I32 mit A'/G aus I27, ein I27 mit C, D und E aus I32 sowie ein I32 mit C, D und E aus I27. Die mechanischen Eigenschaften aller Proteine wurden mit der Rasterkraftmikroskopie untersucht. Eine einzelne Proteinkette wird dazu mit dem einen Ende an einen Träger geknüpft, das andere Ende an die Spitze des Rastrkraftmikroskops adsorbiert. Wird die Spitze allmählich vom Träger weggezogen, streckt sich das Protein, die Zugkraft nimmt zu - bis das Protein schließlich vollständig aufgefaltet wird. Die resultierende Kraft-Entfernungs-Kurve charakterisiert die mechanischen Eigenschaften des Proteins. Es stellte sich heraus, dass alle Kinder andere mechanische Charakteristika aufweisen als ihre Eltern. Bisher hatte man angenommen, dass eine spezielle Anordnung der A'/G-Abschnitte entscheidend für die mechanische Festigkeit der Domänen ist, während andere Bereiche, wie C, D und E nur eine untergeordnete Rolle spielen. Diese Meinung muss nun revidiert werden.
"Mit Hilfe der neuen Methode könnte man zukünftig Proteine mit maßgeschneiderten mechanischen Eigenschaften gezielt herstellen," hofft Li.
Originalveröffentlichung: H. Li et al.; "Engineering Proteins with Novel Mechanical Properties by Recombination of Protein Fragments"; Angewandte Chemie 2006, 118, No. 34.
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