Salmonella in flagranti

Salmonellen-Forschung liefert wegweisende Hinweise für die Entwicklung neuer Antibiotika

16.03.2006

Neue Angriffspunkte für die Entwicklung dringend benötigter Antibiotika gegen Krankheitserreger haben Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Infektionsbiologie und Biochemie zusammen mit Kollegen der Medizinischen Hochschule Hannover entdeckt. Doch ihre Befunde zeigen auch, dass es wesentlich weniger Angriffspunkte für die Herstellung neuer Antibiotika gibt als bisher erwartet.

Die zunehmende Antibiotikaresistenz von Krankheitserregern wirft immer größere Probleme bei der Therapie von Infektionskrankheiten auf. Antibiotika mit neuartigen Wirkmechanismen werden deshalb dringend benötigt, allerdings erbrachte selbst intensive Forschungsarbeit auf diesem Gebiet in den letzten Jahren wenig Erfolg. Eine wichtige Hürde in der Antibiotikaentwicklung ist die Auswahl geeigneter bakterieller Angriffspunkte. Genomanalysen und Versuche mit Laborkulturen deuten zwar auf Hunderte von möglichen Angriffspunkten hin, aber nur wenige dieser Vorhersagen wurden bisher in geeigneten Infektionsmodellen bestätigt.

In enger Kooperation zwischen Infektionsbiologen und Proteomforschern ist es jetzt erstmalig gelungen, jene Proteine zu identifizieren, die an den Stoffwechselwegen von Salmonellen im Verlauf einer Infektion beteiligt sind. Unter der federführenden Leitung von Dirk Bumann, Medizinische Hochschule Hannover, haben Daniel Becker, Claudia Rollenhagen, Matthias Ballmaier und Thomas Meyer vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie Salmonellen aus infizierten Mäusen isoliert. Die Proteomforscher Matthias Selbach und Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie identifizierten anschließend mit der hochempfindlichen Methode der Massenspektrometrie aus den Proteingemischen mehrere hundert verschiedene Proteine des Salmonellen-Stoffwechsels. Durch Abgleich mit speziellen Protein-Datenbanken konnten die Wissenschaftler damit mögliche Angriffspunkte für Antibiotika identifizieren.

Der Mikrobiologe Dirk Bumann und sein Team testeten dann, welche Bedeutung diese Proteine bei einer Salmonelleninfektion haben, in dem sie die für die Proteine verantwortlichen Gene ausschalteten und dann beobachteten, welche Auswirkung das auf den Verlauf der Krankheit hatte. Das Ausschalten der Gene ("knock out") kommt einer Blockade des entsprechenden Stoffwechselwegs gleich und simuliert damit den Effekt entsprechender Antibiotika. Diese Analysen zeigten, dass Salmonellen im Verlauf der zwei möglichen Krankheitsformen - Durchfall oder Typhus - erstaunlich unempfindlich gegen die Blockade einer Reihe zentraler Stoffwechselwege sind. Ursache dafür sind Ersatzenzyme, die die Rolle inaktiver Enzyme übernehmen können, sowie ein breites Nährstoffangebot des Wirtes, das den Salmonellen weitgehende Unabhängigkeit von eigenen Biosynthese-Fähigkeiten verleiht.

Nur wenige Enzyme einer kleinen Gruppe von Stoffwechselwegen sind für Salmonellen wirklich lebensnotwendig. Die meisten dieser wenigen essentiellen Enzyme fehlen aber entweder in anderen wichtigen Krankheitserregern oder werden auch vom menschlichen Organismus gebildet, sodass sie als Angriffspunkte für neue Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum (also als Breitbandantibiotika) nicht in Frage kommen. Die übrigen, prinzipiell attraktiven Stoffwechselwege werden dagegen heute bereits als Zielmoleküle der gängigen Antibiotika verwendet oder haben sich einer wirksamen Antibiotikaentwicklung bisher gänzlich entzogen.

Die umfassende Untersuchung von Infektionsmodellen für Typhus bzw. Durchfall verdeutlicht, dass weitaus weniger potentielle Angriffspunkte für die Herstellung dringend benötigter Antibiotika bestehen, als bisher erwartet wurde. Die neuen Befunde verdeutlichen aber auch, dass zunehmend wirkungslose Antibiotika am ehesten durch neue Substanzen mit ähnlichem, aber nicht identischem Wirkprinzip zu ersetzen sind.

Originalveröffentlichung: D. Becker, M. Selbach, C. Rollenhagen, M. Ballmaier, T. F. Meyer, M. Mann, D. Bumann; "Robust Salmonella metabolism limits possibilities for new antimicrobials"; Nature 2006.

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