Kleine Abweichung - große Protein-Vielfalt
Ansatzpunkt für neue Therapiekonzepte entdeckt?
Bei mehr als 800 dieser 8.000 Gene gibt es bereits experimentelle Hinweise darauf, dass manchmal die erste, alternativ aber auch die direkt dahinter liegende NAG-Markierung verwendet wird. Dadurch können jeweils zwei Produktvarianten entstehen: ein Protein nach einem Bauplan, bei dem beide NAG-Markierungen herausgeschnitten werden und ein verändertes Protein nach einem Bauplan, bei dem der zweite der beiden NAG-Erkennungs-Codes mit in der Eiweiß-Bauanleitung landet. Die beiden Protein-Varianten unterscheiden sich nur geringfügig voneinander: Mal kommt ein Eiweiß-Baustein hinzu oder verschwindet, mal wird ein Eiweiß-Baustein gegen zwei andere ausgetauscht. Es bleibt keinesfalls dem Zufall überlassen, an welcher der beiden Spleiß-Erkennungsstellen zusammengeschnitten wird: Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass in bestimmten Geweben des Körpers nur eine der beiden Markierungen genutzt wird. Die Häufigkeit, mit der die NAGNAG-Codes gefunden wurden, legt die Schlussfolgerung nahe, dass Zellen ihre Protein-Vielfalt damit enorm vergrößern können.
Solche kleinen Veränderungen sind möglicherweise auch von medizinischer Bedeutung: "Störungen bei dieser Form des alternativen Spleißens könnten Ursache von komplexen, durch mehrere Gene bedingte Krankheiten des Menschen sein", erklärt Dr. Matthias Platzer, Leiter des Forscherteams. "Interessant ist, dass wir solche Tandem-Spleiß-Stellen zum Beispiel bei Genen gefunden haben, deren Veränderungen zu Fettsucht führen. Nun werden wir untersuchen, ob Erkrankungen wie Fettsucht, chronische Entzündungen, Alzheimer u. a. mit Störungen in Struktur und Funktion der Tandem-Erkennungsstellen in Verbindung gebracht werden können. Vielleicht ergibt sich da ein Ansatzpunkt für neue Therapie-Konzepte."
Bei dem NGFN-Projekt haben Wissenschaftler aus zwei Förderinitiativen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zusammengearbeitet. Es handelt sich um ein biomedizinisches Großprojekt, in dem systematische Genomforschung und krankheitsorientierte Forschung eng verzahnt sind. Das Jenaer Centrum für Bioinformatik ist eines der sechs seit 2001 im Rahmen der "Ausbildungs- und Technologieinitiative Bioinformatik" geförderten deutschen Kompetenzzentren. Am Erfolg der hier vorgestellten Studie waren Forschergruppen am Jenaer Institut für Molekulare Biotechnologie, des Lehrstuhls für Bioinformatik der Universität Jena und des Instituts für klinische Molekularbiologie an der Medizinischen Klinik der Universität Kiel beteiligt.
Die Forschungsergebnisse werden in der Fachzeitschrift "Nature Genetics" veröffentlicht.
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