Unbegrenzte Möglichkeiten? Wie DNA-Analysen funktionieren und was sie für Forscher und Kriminalisten bedeuten

Interview mit Dr. Peter Quick, Geschäftsführer der Promega GmbH, Mannheim

28.06.2004

Die Untersuchung des genetischen Fingerabdrucks (DNA-Fingerprint) ist momentan eine der modernsten und effizientesten Methoden der Kriminalistik. Wie funktioniert diese Methode?

Bei der DNA-Analyse wird aus dem Erbmaterial, das in jedem Zellkern des menschlichen Körpers vorhanden ist, ein DNA-Profil angefertigt. Heute reichen winzige Mengen an DNA wie Speichelreste an Zigarettenstummeln, Hautabrieb an Gläsern, ein Abstrich von Mundschleimhautzellen oder minimale Blut- oder Spermaspuren aus, um eine Analyse erfolgreich durchzuführen. Es ist somit möglich, sogar Jahre altes DNA-Material einer Person zweifelsfrei zuzuordnen.

Warum ist der genetische Fingerabdruck so zuverlässig?

Jeder Mensch hat ein einzigartiges DNA-Profil. Nur eineiige Zwillinge bzw. Mehrlinge haben exakt das gleiche DNA-Muster. Wird ein DNA-Profil zum Beispiel mit unserem System Promega PowerPlex 16® erstellt, liegt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein und dasselbe DNA-Profil bei einer anderen Person ein zweites Mal auftritt, bei 183 Billiarden; das entspricht einer mehrfachen Weltbevölkerung. Fehlerrisiken gibt es jedoch bei Probenvertauschung, Kontamination mit Fremd-DNA oder Beschädigung durch Hitze, UV-Einstrahlung, Mikroorganismen etc.

Was verrät uns die DNA-Analytik noch über das Erbgut eines Menschen?

Nichts außer dem Geschlecht. Die DNA-Analyse erlaubt keinerlei Aussagen über genetische Veranlagungen oder Erkrankungen getesteter Personen; man spricht daher auch von "Junk"- bzw. "Schrott-DNA". Ein genetischer Fingerprint verrät nichts, außer dass die Person am Tatort war oder nicht. Angst vor dem gläsernen Menschen ist hier völlig unberechtigt.

Wie wird eine DNA-Analyse genau durchgeführt?

Die Analyse erfolgt nach dem PCR-Verfahren (Polymerase-Kettenreaktion), bei dem die DNA künstlich vermehrt wird. Zunächst wird die Erbanlage, die Ausgangs-DNA, isoliert. Durch Erhitzen trennen sich die beiden Stränge der Erbanlage. Dann gibt man die Bausteine der DNA hinzu, die zu den Enden auf den Einzelsträngen passen und sich beim Abkühlen an diese binden. Es entstehen kurze Doppelstrangabschnitte, die den Startpunkt für weitere Auffüllreaktionen bilden. Durch alternierendes Erhitzen und Kühlen entsteht eine Kettenreaktion, in deren Folge sich die Erbsubstanz unzählige Male vervielfältigt. Die dabei entstehenden künstlichen Amplifikate werden nach ihrer Größe im elektrischen Feld aufgetrennt, sortiert und mit Farbstoffen sichtbar gemacht. Mit einer speziellen Software lassen sich nun die Ergebnisse auswerten.

Wenn die zweifelsfreie Bestimmung einer genetischen Identität heute möglich ist - was sind aus Ihrer Sicht die gentechnologischen Perspektiven einer solchen Methodik, z. B. in der Medizin, der Kriminalistik oder auch in der Landwirtschaft? Welche gentechnologischen Einsatzgebiete sind noch denkbar?

Der "Chimärismustest" für Patienten mit Leukämie ist ein interessanter Sonderfall für eine Genanalyse, bei der eine vergleichbare Methode zum Tragen kommt: Die Ärzte zerstören mit einer Chemotherapie das Knochenmark des kranken Patienten - und damit die Quelle der Krebszellen. Danach erhält der Patient gespendetes Knochenmark und trägt ab jetzt in seinem Körper die genetischen Merkmale von zwei Personen, daher der Begriff "Chimärismus". In seinem Blut findet man das Erbgut des Spenders, in anderen Körperzellen sein eigenes. Findet man das Erbgut des Spenders nicht, sondern nur das Genprofil des Patienten, dann wirkt die Behandlung (noch) nicht.

Den Kriminalfahndern haben sich mit der DNA-Technik also unbegrenzte Möglichkeiten erschlossen. Die sogenannte DNA-Datei (oder Gen-Datenbank) kann auch noch für viele weitere Anwendungen ausgebaut werden. Welche Anwendungen kann man sich hier vorstellen?

Die Gen-Datenbank des Bundeskriminalamtes enthält zur Zeit etwa 270.000 Profilsätze zu Personen, die wegen eines schweren Verbrechens zu Gefängnis von mehr als einem Jahr verurteilt sind oder bei denen der Richter eine Wiederholungsgefahr sieht, wie bei Sexualstraftätern. Zu erwähnen wäre hier noch der Bereich der Vaterschaftsfeststellung, der vom Gesetzgeber noch etwas präziser reguliert werden wird als bisher.

DNA-Typisierungen, so ein häufiger Einwand gegen Gendatenbanken, öffnen dem Missbrauch Tür und Tor. Wie sehen Sie das?

DNA-Proben und deren Profile, die in die Deutsche DNA-Analyse-Datei (DAD) eingespeist werden, sind gesetzlich geschützt, anonym und nur mit einem Zahlencode beschriftet. Während des Analyseprozesses können keine Rückschlüsse auf die untersuchte Person gezogen werden. Referenzproben dürfen in Deutschland, anders als in den Benelux, der Schweiz oder Norwegen, nicht aufbewahrt werden.

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