Ersatzgewebe aus der Retorte
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB erhält Herstellungserlaubnis für Knorpelzellen
Zusammengeklebt ist der Mensch mit Kollagen (griechisch kolla = Leim). Ob in Haut, Knorpel, Sehnen, Bändern, Blutgefäßen, Zähnen oder Knochen - mit rund 25 bis 30 Prozent ist diese Gruppe strukturgebender Proteine bei Säugetieren die häufigste. Entsprechend vielfältig sind die Krankheitserscheinungen. Beispiel Knorpelnekrose: Im Gelenk lösen sich Knorpelstückchen ab und im angrenzenden Gewebe schließlich auf. In solchen pathologischen Fällen oder nach Unfällen benötigt der Mediziner Ersatzgewebe (oder aber Prothesen). Wie bei jeder Transplantation stammt es von einem anderen Körperteil, einem anderen Patienten oder vom Tier. Gerade bei den beiden letzten Spendern muss damit gerechnet werden, dass das transplantierte Gewebe nicht vertragen wird, sich entzündet oder sich wieder auflöst. Bei der jüngeren biomedizinischen Richtung des tissue engineering treten solche Komplikationen dagegen in der Regel nicht auf, denn dabei werden körpereigene Zellen im Labor gezüchtet. Aus ihnen kann das benötigte Gewebe aufgebaut werden.
Nun ist auch das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart für solche Arbeiten zertifiziert: Vor einem Monat stellte die Leitstelle Arzneimittelüberwachung des Regierungspräsidiums in Tübingen eine Herstellungserlaubnis nach § 13 des deutschen Arzneimittelgesetzes aus. "Zunächst bezieht sich diese Erlaubnis auf die Herstellung von Chondrozyten, also Knorpelzellen", sagt Dr. Hans-Georg Eckert, Leiter der Abteilung Zellsysteme. "Damit gehören wir zu einem ganz kleinen Kreis nicht-kommerzieller Einrichtungen in Deutschland, die derartige Zelltherapeutika herstellen dürfen." Die während der Zertifizierung gewonnenen Erfahrungen und die aufgebaute Labor-Infrastruktur soll nun für entsprechende Kooperationsprojekte genutzt werde. Die Wissenschaftler am IGB werden in Zukunft ihre Tätigkeiten auf andere Zellen und Gewebe ausdehnen, beispielsweise Haut-, Knochen-, Blut- oder Nervenzellen. Mit diesem Leistungsspektrum sprechen die Forscher vor allem Spezialkliniken und kleinere Unternehmen an. Diese verfügen zumeist nicht über die Voraussetzungen, die in den Richtlinien der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel definiert sind (Good Manufacturing Practices, GMP).
"Nach einer erfolgreichen Züchtung muss das Gewebe seine spezifische Aufgabe erfüllen", hebt Dr. Ulrike Vettel nur eine Laborarbeit hervor. "Bei Knorpelzellen etwa weisen wir nach, ob die Zellen das gewünschte Kollagen vom Typ II produzieren. Wenn nicht, wird das Gewebe für eine Anwendung am Patienten nicht freigegeben."
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