Waffen von Killerzellen entschlüsselt

Max-Planck-Forscher haben 3D-Struktur eines wichtigen Abwehrenzyms aufgedeckt und neues kostengünstiges Herstellungsverfahren entwickelt

04.07.2003

Tumorzellen und viral infizierte Zellen bedrohen unser Leben Tag für Tag. Glücklicherweise verfügen wir in unserem Immunsystem über eine starke Leibwache von Killerzellen, die mit verschiedenen todbringenden Waffen - Proteasen oder Granzyme genannt - ausgerüstet sind und unerwünschte Zellen rechtzeitig eliminieren. Unter den circa 120 Proteasen des Menschen, die die Aminosäure Serin im ihrem Zentrum haben, verfügt das Granzym A als einzige über zwei identische katalytischen Köpfe. Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Biochemie und Neurobiologie in Martinsried bei München haben jetzt gemeinsam das Geheimnis dieses zweischneidigen Schwerts gelüftet und seine räumliche (dreidimensionale) Struktur bei hoher Auflösung analysiert. Diese Erkenntnisse sind wichtig für die Optimierung von Protease-Blockern, die bei Transplantationen, Autoimmunkrankheiten oder chronischen Infektionskrankheiten eingesetzt werden.

Die Granzyme A und B, zwei besonders intensiv erforschte Enzyme, sind hocheffiziente Katalysatoren des programmierten Zelltods und lösen eine explosionsartig ablaufende Kaskade von intrazellulären Prozessen aus, die zur Selbstauflösung und dem kompletten Abbau unerwünschter Körperzellen führen. Die selben lebensrettenden Proteasen können jedoch auch enorme destruktive Energien gegenüber Organtransplantaten, Spender-Stammzellen oder körpereigenen Geweben entfalten und verheerende Schäden an gesunden Zellen und Organen anrichten.

Granzym B erkennt besondere Sequenz-Motive an der Oberfläche von im Zytosol befindlichen Proenzymen, den Procaspasen, und wandelt diese Vorläufermoleküle durch selektiven Schnitt in der Nähe eines negativ geladenen Asparaginsäure-Restes in eine funktionell aktive Caspase um. Caspasen sind der intrazelluläre Motor eines universellen zellbiologischen Programms, das die Selbstzerstörung und geordnete Auflösung überflüssiger oder unerwünschter Zellen kontrolliert. Im Unterschied dazu erkennt Granzym A eine große Zahl von unterschiedlichen Oberflächen-Strukturen im Umgebungsbereich eines positiv geladenen Aminosäure-Restes und spaltet überwiegend Untereinheiten von großen Proteinkomplexen.

Die Max-Planck-Forscher Clara Hink-Schauer, Eva Estebanez-Perpina, Florian Kurschus, Wolfram Bode and Dieter E. Jenne haben nun mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse herausgefunden, dass die beiden miteinander verbundenen Molekülköpfe (-Einheiten) des Granzyms A in exakt entgegengesetzte Richtung zeigen und durch eine 180 Grad-Drehung ineinander überführt werden können. Dadurch entstehen zwei funktionell gleichwertige Dimer-Oberflächen (Vorder- und Rückseite). Jede Moleküleinheit erfüllt eine doppelte Aufgabe: Mit der Rückseite des einen Moleküls wird die Beute festgehalten und dann dem Nachbarmolekül präsentiert. Dieses schneidet die Beute und gibt die beiden Bruchstücke rasch wieder frei. Wie ein zweischneidiges Schwert bahnt sich auf diese Weise das Granzym A seinen Weg durch komplexe Strukturen.

Zugleich ist es den Max-Planck-Forscher gelungen, ein neues, wesentlich kostengünstigeres Verfahren zur Herstellung von Granzym A zu entwickeln. Granzyme eigenen sich als Angriffspunkte für die Entwicklung neuartiger Medikamente, um eine Überreaktion des Immunsystems und die hierbei beobachteten Schäden durch Killerzellen zu verhindern. Das neue Herstellungsverfahren und die genaue Erfassung der dreidimensionalen Struktur des Granzym A sind wichtige Voraussetzungen, um vorhandene Protease-Blocker optimieren und neue entwickeln zu können. Derartige Inhibitoren könnten bei Transplantat-Abstoßung, Autoimmunkrankheiten, wie rheumatoider Arthritis oder Multipler Sklerose, und bei chronisch verlaufenden Infektionskrankheiten praktische Anwendung finden.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Weitere News von unseren anderen Portalen

Heiß, kalt, heiß, kalt -
das ist PCR!