Organe aus dem Labor
«Fast alles ist möglich - nur Zeit braucht es»
Seit fast 30 Jahren beschäftigt sich Planck mit dem «Tissue Engineering», unter anderem leitet er Projekte zu Gefäß-, Nerven- oder Hautersatz. Vor rund 15 Jahren begann das Team des Textiltechnikers mit der Entwicklung einer künstlichen Bauchspeicheldrüse. «Davon könnten Diabetiker profitieren, bei denen die Drüse gar kein Insulin herstellt», sagt Planck. Die Idee: In einem kleinen Schlauch aus Polyurethan - daraus werden auch Autostoßstangen hergestellt - werden Insulin-produzierende Schweinezellen angesiedelt. Das Gebilde soll Diabetikern einmal in den Bauchraum eingepflanzt und an ihr Gefäßsystem angeschlossen werden. Damit die Schweinezellen vom Menschen nicht abgestoßen werden, soll eine feine Kapillarmembran menschliches von tierischem Gewebe trennen.
«Ein Rückschlag war, als in Labortests klar wurde, dass sich menschliches Blut und der Kunststoff nicht optimal vertragen - es bildeten sich kleine Blutgerinnsel in der Petrischale», erzählt Planck. Also gingen die Forscher auf die Suche nach einem besser geeigneten Stoff. Im Sommer nun will das Zentrum anfangen, diese künstliche Bauchspeicheldrüse in Schweine einzusetzen. Geht alles gut, könnten in einigen Jahren tatsächlich Zuckerkranke davon profitieren und auf ihre täglichen Insulinspritzen verzichten. «Lieber wäre uns natürlich, menschliche Zellen zu nehmen - aber die Stammzellforschung ist noch nicht so weit, und menschliche Spenderorgane sind rar», sagt Planck.
Auch für verschlissenen Gelenkknorpel will das Zentrum Abhilfe schaffen. Ziel ist es, Menschen künftig eigene, noch gesunde Knorpelzellen zu entnehmen und diese dann auf einem geformten Poly- Milchsäure-Gerüst zu vermehren. Später kann dieses Gewebe dann in den Patienten «eingebaut» werden. «Die Herausforderung hierbei ist, Knorpel zu züchten, der auch starken mechanischen Kräften Stand hält.» Versuche mit elastischem Knorpel, der sich in Nase und Ohren findet, hätten sich als schwieriger herausgestellt als erwartet. «Der Knorpel war nicht hart genug - und Schlabberohren will schließlich niemand», sagt Planck.
Künstlich gezüchtetes Gewebe soll aber nicht immer einen Platz in einem Menschen finden. Forscher kreieren es auch, um daran Medikamente zu testen und die Pharma-Forschung zu verbessern. «Langfristig gesehen bietet das eine Möglichkeit, ohne Tierversuche auszukommen», sagt Dominik Monz, vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) im saarländischen St. Ingbert. Biologen und Ingenieure arbeiten dort Hand in Hand. Die Biologen züchten Netzhaut und Herzmuskelgewebe aus Zellen von Hühnerembryonen und Nährstoffen. «Das Gewebe ist mit dem bloßen Auge sichtbar, mit dem Mikroskop kann man sogar die Herzmuskelzellen zucken sehen.» Auch Brustkrebs-Gewebe aus menschlichen Tumorzellen entsteht in St. Ingbert im Labor.
Die Ingenieure im IBMT entwerfen Mikrochips mit Kapillaren, in die das gezüchtete Gewebe eingefüllt wird. Mit elektrischen Messungen können die Ingenieure auf Vorgänge in den Zellen schließen. «Man kann beispielsweise erkennen, wenn sich der Zellkern bei einer Zellteilung auflöst oder die Zelle zu Grunde geht», erklärt Monz. Dieses Verfahren kann eingesetzt werden, um die Wirksamkeit einer Chemotherapie gegen Krebs zu testen oder um zu prüfen, ob Pestizide gesunde Zellen schädigen. «So können wir Grenzwerte für einzelne Schadstoffe bestimmen.» Das Institut arbeitet bei den Versuchen eng mit Medizinern und Universitäten zusammen.
Die Nutzung der Mini-Organe für die Pharmaforschung beruht in einigen Fällen auf einer gewissen Ernüchterung der Gewebe-Ingenieure, nachdem sie etwa merkten, dass sich nicht so leicht ganze Lebern oder Herzen züchten lassen. «Vor allem aus den USA kamen einige Zeit lang sehr euphorische Meldungen, um Geld für die Forschung einzutreiben», sagt Planck. Dies sei derzeit zwar erst einmal vorbei. «Fast alles ist möglich», ist jedoch Plancks Motto. «Nur Zeit braucht es.»