Blutplättchen können mehr als bislang bekannt
Sie bewegen sich aktiv und interagieren mit Erregern
F. Gärtner/LMU
750 Milliarden Blutplättchen zirkulieren im menschlichen Körper. Sie reagieren auf Verletzungen der inneren Gefäßwände und spielen eine entscheidende Rolle für die Blutgerinnung: Sie heften sich an die verletzte Stelle an und vernetzen sich dort miteinander, wodurch sie die Wunde abdichten. Sie spielen aber auch bei der Entstehung von Thrombosen eine Rolle.
Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB 914 „Immunzellwanderung bei Entzündung, Entwicklung und Krankheit“ hat das Team um Gärtner und Massberg jüngst eine Methode entwickelt, einzelne Blutplättchen bei der Immunreaktion über einen längeren Zeitraum zu visualisieren. So kamen sie einer bislang unbekannten Funktion auf die Spur: „Sie bleiben nicht nur passiv an Bakterien kleben, sondern bewegen sich aktiv“, sagt Gärtner. An Entzündungsstellen beginnen Blutplättchen zu wandern, wobei sie mit Fremdkörpern in Kontakt treten können um diese einzufangen und zu binden, vergleichbar einem zellulären Straßenkehrer. Die so entstehenden Verbindungen aus einem Blutplättchen und mehreren Bakterien rufen dann wiederum Fresszellen auf den Plan, die die so gebundenen Erreger als Ganzes beseitigen.
Möglicherweise wurde die Rolle von Blutplättchen bislang auch unterschätzt, da sie keinen eigenen Zellkern haben. Die Arbeit von Gärtner und Massberg zeigt nun, dass sie dennoch dynamische Strukturen annehmen und sich selbstständig fortbewegen können. Dieses Ergebnis weist über die Immunforschung hinaus, da es zur Klärung der grundlegenden Frage beiträgt, über welche Fähigkeiten Zellen ohne Zellkern verfügen. „Es ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass die Bewegungsmaschinerie der Zelle unabhängig vom Zellkern ist“, sagt Gärtner.
Die neuen Erkenntnisse machen Blutplättchen zudem zu einem interessanten Ziel bei der Entwicklung von Medikamenten, um überschießende Entzündungsreaktionen in den Griff zu bekommen. „Man kann in die Abwehrmechanismen des Körpers eingreifen, indem man ihre Migrationsfunktion unterbindet,“ erklärt Gärtner.
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