Kohlenwasserstoff-abbauender Pilz gibt Geheimnisse preis

Gen-Transfer von Bakterien – und viel Stress!

30.11.2017 - Österreich

Ein Pilz, der einen umweltschädlichen Kohlenwasserstoff abbaut, kann dies dank Genen, die er von Bakterien übernommen hat – und gerät dabei gehörig unter Stress. Dies sind die herausragenden Forschungsergebnisse einer Gruppe der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), die vor kurzem international veröffentlich wurden. Grundlage der Erkenntnisse waren modernste Geräte zur Analyse des Genoms und Transkriptoms, die an der BOKU auch Dritten zur Nutzung zur Verfügung stehen.

Cladophialophora immunda ist zwar ein Pilz, aber sicherlich kein Schwammerl! Dazu beeindruckt der zu den Hefepilzen gehörende Ascomycet viel zu sehr mit einer herausragenden Eigenschaft: Er kann locker den auch als Umweltproblem bekannten Kohlenwasserstoff Toluol abbauen. Damit ist C. immunda hervorragend für die biologische Sanierung von Böden und anderen Umgebungen geeignet, die mit Kohlenwasserstoffen belastet sind. Wie er das schafft, wurde nun erstmals mit modernsten Sequenziermethoden und einer eigens dafür erstellten Bioinformatikpipeline von Dr. Barbara Blasi und Dr. Hakim Tafer im Team von Prof. Katja Sterflinger am Department für Biotechnologie (BOKU Wien) untersucht. Die überraschendsten Ergebnisse der vor kurzem in Scientific Reports veröffentlichten Arbeit sind dabei: Erstens hat C. immunda zahlreiche Gene, die für den Toluol-Abbau notwendig sind, von Bakterien übernommen und zweitens macht der Toluol-Abbau Mega-Stress, dem der Pilz mit zahlreichen Reaktionen begegnet.

Schnell & sicher sequenzieren

Ermöglicht wurden diese überraschenden Ergebnisse auch durch die Anwendung modernster Sequenzierer, die an der BOKU von der Core Facility EQ BOKU bereitgestellt und auch an Dritte vermietet werden. Dazu zählt ein sogenannter Halbleiter-Sequenzierer (Proton Ion Sequencer), dessen Arbeitsweise das Sequenzieren grosser Mengen an Nukleinsäuren in kürzester Zeit erlaubt. Damit gelang es dem BOKU-Team unter anderem wertvolle Informationen über die Aktivierung von Genen während des Toluol-Abbaus zu erhalten. Dazu Prof. Sterflinger: "Wir schafften so die weltweit erste Transkriptom-Analyse eines Pilzes, der auf Toluol gewachsen ist. Dabei konnten wir zeigen, dass C. immunda fast alle Enzyme besitzt, die bisher – aus unterschiedlichen Organismen – mit dem Toluol-Abbau in Zusammenhang gebracht wurden." Tatsächlich gelang es sogar zu zeigen, dass die Gene für diese Enzyme in fünf Clustern auf der DNA gruppiert sind. Solche Gene-Cluster sind bei Pilzen an sich nichts ungewöhnliches, doch für Gene, die beim Abbau von Kohlenwasserstoffen wichtig sind, wurde das bisher noch nicht beschrieben. Vergleiche der umfangreichen Sequenz-Daten aus C. immunda mit solchen aus anderen Organismen zeigten dann auch noch eindeutig, dass acht Gene für den Toluol-Abbau in der Vergangenheit von Bakterien erworben wurden.

Abbau-Stress statt Stress-Abbau

Als sich das Team dann die Aktivität weiterer Gene anschaute, deren Expression durch den Toluol-Abbau beeinflusst war, wartete eine weitere Überraschung. Dazu Prof. Sterflinger: "Trotz seiner Fähigkeit Toluol sehr effizient abzubauen, steht C. immunda dabei unter enormen Stress. Gleich eine ganze Batterie an zellulären Stoffwechselfunktionen werden durch den Kontakt mit Toluol negativ betroffen." Zu diesen zählen grundlegende Zellfunktionen wie der Auf- und Abbau von Aminosäuren sowie von organischen Substanzen, die Zellatmung und spezielle Transportmechanismen. Auch konnte gezeigt werden, dass die Herstellung von Antioxidantien angeregt und Mechanismen aktiviert wurden, die der Zellentgiftung dienen. Alles untrügliche Anzeichen für Stress. "Dies deutet an, dass C. immunda kein wahrer Freund von Toluol ist – obwohl es diesen Kohlenwasserstoff bestens abbauen kann", meint Prof. Sterflinger "Vielmehr scheint diese wirksame Beseitigung ein Schutzmechanismus des Pilzes zu sein, um sich vor den schädlichen Wirkungen von Toluol zu schützen."

Möglich gemacht wurden die Ergebnisse auch durch eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe von Prof. Sterflinger am Department für Biotechnologie der BOKU mit der dortigen Core Facility EQ BOKU. Diese erwirbt und wartet zahlreiche kostspielige Großgeräte, wie modernste Sequenzierer oder Gaschromatografen, die neben Arbeitsgruppen der BOKU auch externen Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig kann dann auch die Expertise der BOKU WissenschafterInnen für komplexe Messungen und ganze Forschungsprojekte mit herangezogen werden. Die Zusammenarbeit der EQ BOKU mit zahlreichen Industrieunternehmen und internationalen Forschungsgruppen belegt den Erfolg dieses Konzepts, das auch an der BOKU zu zahlreichen international beachteten Forschungsergebnissen beiträgt.

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