Neue Methode für die Arzneiforschung
Membranveränderungen mit Neutronen erkennen
Forschungszentrum Jülich
Zellmembranen umhüllen die Zellen im menschlichen Körper wie eine Schutzhaut. Sie sind sehr dünn – 10.000 Mal dünner als ein menschliches Haar. Ihre Basis bildet eine Doppellage aus teils wasserabweisenden Molekülen, so genannten Lipiden. In ihr befinden sich unterschiedlichste Eiweißmoleküle, die etwa Pforten für die Einfuhr von Nähr- und Botenstoffen ins Zellinnere oder für die Abgabe von Abbauprodukten bilden. Diese Pforten sind oft auch die Angriffsstelle für Medikamente.
Die Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich, des Heinz Maier-Leibnitz Zentrums in Garching, der Staatlichen Universität Tiflis in Georgien sowie des Laboratoire Léon Brillouin in Saclay, Frankreich, benutzten für ihre Untersuchungen ein Modellsystem, das keine eingelagerten Proteine enthält, aber der Membran von Zellen ansonsten sehr ähnlich ist: eine Doppelschicht aus Soja-Lipiden. Ein wesentlicher Vorteil dieser Methode ist, dass sich Strukturveränderungen an dem sehr regelmäßig aufgebauten Film leichter erkennen lassen. Zudem konnten die Forscher diese Lipidschichten zur Messung auf eine ebene Fläche aufbringen. Auch dies verbessert das Messergebnis.
Zum Test ihrer Methode untersuchten die Forscher, wie sich zwei verbreitete medizinische Wirkstoffe auf die Struktur der Membran auswirken. Dabei konnten sie nachweisen, dass das Lokalanästhetikum Benzocain und der Betablocker Propanolol die Modellmembranen entweder versteifen und brüchig machen oder Verbindungen zwischen den beiden Lagen der Membran wachsen lassen. „Beides ist physiologisch nicht wünschenswert und könnte die Ursache für Nebenwirkungen bei einer Überdosierung oder Langzeiteinnahme der Wirkstoffe sein“, vermutet Dr. Henrich Frielinghaus. Er ist verantwortlich für das Kleinwinkelstreu-Diffraktometer KWS-1, das das Jülich Centre for Neutron Science (JCNS) am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching betreibt. Derartige Hypothesen lassen sich durch die neue Methode nicht direkt nachweisen. „Die grundsätzliche Wirkung der Substanzen auf Membranen lässt sich aber sehr gut erkennen. Unsere Neutronenuntersuchungen können so Hinweise liefern, ob weitere Tests sinnvoll sind“, so Frielinghaus. Etwa zehn Wirkstoffe pro Tag könnten die Forscher testen.
Originalveröffentlichung
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