Wachablösung im Immunsystem

Wie dendritische Zellen ihre Bewaffnung an Mastzellen übergeben

20.11.2017 - Deutschland

Forscher des Gesundheitscampus Immunologie, Infektiologie und Inflammation (GC-I³) der Universitätsmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) zeigen erstmals, dass zwischen Dendritischen Zellen und Mastzellen im lebenden Organismus zielgerichtete Kontakte mit spannenden funktionellen Konsequenzen stattfinden.

Jan Dudeck, OVGU Magdeburg

Dynamische Interaktion zwischen Dendritischer Zelle und Mastzelle. Intravitale Multiphotonen-Mikroskopie einer Dendritischen Zelle (grün) und einer Mastzelle (rot) während der Entzündungsreaktion in der Haut. Man sieht, dass die Mastzelle bereits intrazelluläre Vesikel (gelb) mit dem grün fluoreszierenden Protein der Dendritischen Zelle enthält.

Dendritische Zellen sind wichtige Zellen der angeborenen Immunabwehr, die den Körper an Grenzflächen wie Haut und Schleimhaut gegen Krankheitserreger schützen, indem sie das erworbene Immunsystem alarmieren. Sie erkennen eindringende Keime, nehmen diese auf und präsentieren Bestandteile der körperfremden Moleküle – die Antigene - auf ihrer Oberfläche anderen Zellen des erworbenen Immunsystems, den T-Zellen. Dadurch werden die T-Zellen aktiviert, vermehren sich und starten dann Abwehrmechanismen gegen die Erreger. Mastzellen wurden hingegen bisher vor allem als Vermittler unerwünschter allergischer Reaktionen angesehen. In der jüngeren Vergangenheit konnten Forscher, darunter auch die Letztautorin der Studie, Prof. Anne Dudeck, die am Institut für Molekulare und Klinische Immunologie die Arbeitsgruppe Immunregulation leitet, jedoch zeigen, dass auch Mastzellen wichtige Funktionen bei der Immunabwehr erfüllen. Einen völlig neuen Mechanismus, bei dem Dendritische Zellen in entzündeter Haut mit Mastzellen interagieren und ihnen dadurch für die Immunabwehr wichtige Moleküle und somit Funktionen übertragen, veröffentlichte das Team um Prof. Dudeck kürzlich im Fachjournal Journal of Experimental Medicine.

Für ihre Experimente nutzten die Forscher eine Reihe eleganter Methoden. Zunächst züchteten sie Mäuse, die sogenannte Fluoreszenzproteine herstellen, und bei denen deshalb unter dem Mikroskop die Dendritischen Zellen grün und die Mastzellen rot leuchten. Dadurch konnten sie mit Hilfe intravitaler Multiphotonen-Mikroskopie bei einer Entzündungsreaktion in der Haut nun live beobachten, wie diese beiden Zelltypen miteinander interagieren. Um das Zellverhalten jedoch nicht nur zu beobachten, sondern auch zu quantifizieren waren Bioinformatiker gefragt: Prof. Marc T. Figge leitet die Forschungsgruppe Angewandte Systembiologie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena. Er und seine Mitarbeiterin Dr. Anna Medyukhina entwickelten Algorithmen, die die automatisierte Analyse hunderter Interaktionen zwischen Mastzellen und Dendritischen Zellen ermöglichten.

Und diese interdisziplinären Analysen lieferten überraschende Erkenntnisse: vor der Auslösung einer Entzündungsreaktion patrouillierten Dendritische Zellen mit hoher Geschwindigkeit durch die Haut, dabei zeigten sie kein Interesse an den gleichmäßig im Gewebe verteilten, statischen Mastzellen. Wurde eine Entzündungsreaktion der Haut ausgelöst, änderte sich dieses Verhalten dramatisch, nach wenigen Minuten hörten die Dendritischen Zellen auf sich zu bewegen und verharrten für mehrere Stunden an Ort und Stelle. Dann jedoch wurden sie wieder mobil und begannen nun auf einmal die stationären Mastzellen nicht nur zu kontaktieren und gleichsam abzutasten sondern sogar langlebige und enge Kontakte mit ihnen zu formen.

Die überraschendste Beobachtung war jedoch, dass diese engen Kontakte zwischen Dendritischen Zellen und Mastzellen dazu führten, dass Material von den Dendritischen Zellen in die Mastzellen transferiert wurde; etwa 18 Stunden nach dem Auslösen der Reaktion wurden im Inneren der roten Mastzellen grüne Einschlüsse sichtbar, die aus den Dendritischen Zellen stammten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass darunter auch MHC-Klasse II-Moleküle waren, also eben jene Moleküle, die Dendritische Zellen benötigen um auf ihrer Zelloberfläche Antigene für T-Zellen zu präsentieren. Und die transferierten Moleküle waren funktionell: nach dem Transfer waren Mastzellen auf einmal in der Lage, T-Zellen zu stimulieren, was normalerweise die Kernaufgabe der Dendritischen Zellen ist. Diese müssen jedoch aus dem Gewebe in die Lymphknoten auswandern um diese Funktion wahrzunehmen, während die Mastzellen in der Haut verbleiben. Jan Dudeck, einer der beiden Erstautoren der Studie betont die Relevanz dieser Entdeckung: „Die Vermutung liegt nahe, dass der neu beobachtete Mechanismus dazu dient, dass die Dendritischen Zellen das Gewebe nicht unbewacht zurücklassen, sondern ihre „Waffen“ an die Mastzellen übergeben, so dass diese während der Abwesenheit der Dendritischen Zellen deren T-Zell-aktivierende Funktion vor Ort, im entzündeten Gewebe wahrnehmen können.“

Prof. Dudeck, die erst letztes Jahr auf die Professur am Institut für Molekulare und Klinische Immunologie berufen wurde, lobt den Standort Magdeburg: „Die Imaging-Expertise und das Equipment die hier auf dem Gesundheitscampus GC-I³ vorhanden sind, sind für uns entscheidend, ohne diese Ausstattung könnten wir unsere Studien nicht durchführen.“ Und für die Zukunft hat sie noch einiges vor und erklärt: „Es ist unglaublich spannend, den Immunzellen in Echtzeit bei ihrer Arbeit und Kommunikation über die Schultern zu schauen. Dabei ist es immer wieder verblüffend, mit welch eleganten und effizienten Strategien sich das Immunsystem eines Organismus gegen äußere Angriffe zur Wehr setzt. Jetzt reizt uns die Frage, ob diese interzelluläre Kommunikation auch in der gegensätzlichen Richtung stattfindet, die Dendritischen Zellen also auch von den Mastzellen lernen.“ Die Kenntnis über die Kommunikation zwischen den Immunzellen könnte in der Zukunft therapeutisch genutzt werden, beispielsweise um die Abwehrkräfte zu unterstützen oder überschießende Entzündungsreaktionen zu regulieren.

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