Wenn Nichtimmunzellen Krebszellen töten

Forscher stellen künstliche Killerzellen zur Krebsbekämpfung her

15.11.2017 - Schweiz

ETH-Forscher haben normale Körperzellen zu Immunzellen umprogrammiert. Dadurch können diese Krebszellen erkennen und abtöten.

Bild: www.pixabay.com

T-Zellen sind für die Immunabwehr wichtig.

ETH Zürich

Die künstliche T-Zelle erkennt eine Tumorzelle und dockt an sie an. Dabei verbiegen sich Antennenproteine, was eine Kettenreaktion auslöst. Dies führt zur Tötung der Tumorzelle.

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ETH Zürich

Eine Hauptwaffe des Immunsystems sind T-Zellen. Diese erkennen virusbefallene Körperzellen und lösen deren programmierten Zelltod aus, was auch das Virus tötet. Bei Tumorzellen jedoch versagen die T-Zellen, da sie diese nicht als fremd erkennen und deshalb nicht eliminieren können.

Seit Kurzem setzen Ärzte allerdings nun im Labor veränderte T-Zellen gegen Tumore ein. Diesen mit zusätzlichen Funktionen ausgestatteten Immunzellen entgehen die Krebszellen nicht: Sie können Krebszellen aufspüren und abtöten. Doch diese Immunzelltherapie kann starke Nebenwirkungen haben, und die Herstellung der veränderten T-Zellen ist technisch anspruchsvoll.

Ein Team von Forschern um ETH-Professor Martin Fussenegger am Departement Biosysteme in Basel schlägt nun einen neuartigen, einfacheren Ansatz vor, um therapeutisch nutzbare synthetische Designer-Zellen zur Bekämpfung von Tumoren herzustellen: Die Forscher haben Nierenzellen und (Fett-)Stammzellen des Menschen drei zusätzliche Komponenten eingebaut und dadurch in synthetische T-Zell-ähnliche Designer-Zellen verwandelt.

Eine der Komponenten der synthetischen T-Zellen sind molekulare Antennen, die weit aus der Zelle herausragen. In der Zellmembran verankert sind zudem Antikörper mit spezifischen Andockstellen, welche Zielstrukturen der entsprechenden Krebszelle erkennen und an sie binden. Die dritte Komponente ist ein Gennetzwerk, das einen Molekülkomplex erzeugt.

Dieser Molekülkomplex besteht aus einem molekularen «Raketenkopf», der die Membran der Zielzelle durchdringt. An ihn gekoppelt ist ein Konvertermolekül, das im Inneren der Krebszelle einen Antitumor-Wirkstoff «scharf» macht.

Die Vorläufersubstanz dieses Wirkstoffs muss dem System von aussen beigefügt werden. Krebszellen nehmen diese Substanz auf und das Konvertermolekül wandelt die inaktive in eine aktive Form um. Die Krebszelle platzt, der Wirkstoff wird freigesetzt und eliminiert in der «Todeszone» rund um die synthetische T-Zelle weitere Tumorzellen. «Dieser Bystander-Effekt macht unsere synthetischen T-Zellen noch effektiver», sagt Fussenegger.

Mechanischer Auslöser

Der Mechanismus, welche die Kaskade bis zur Tötung der Krebszelle in Gang setzt, ist neu und funktioniert physikalisch: Indem die synthetische T-Zelle ihre Zielzelle nahe an sich heranzieht, verbiegen sich die Antennenproteine. Dadurch verliert die Verankerung der Antenne, die in die Zelle hineinragt, den Kontakt zu einem molekularen Schalter, den sie bis dahin blockiert. Als Reaktion auf den «An»-Befehl setzt sich eine Signalkaskade in Gang, welche die Produktion des Molekülkomplexes anschaltet.

Die neuartigen künstlichen T-Zellen haben gegenüber heutigen Krebstherapien einige Vorteile. Während bei Chemotherapien der Körper mit Wirkstoffen geflutet wird, um wenig wählerisch möglichst viele sich schnell teilende Zellen abzutöten, braucht es hier nur wenige künstliche T-Zellen. Zudem sind diese nur lokal und sehr gezielt im Einsatz.

«Unsere neuartigen T-Zellen erkennen und töten metastasierende Krebszellen zu einem sehr frühen Zeitpunkt, an dem andere Therapien nicht greifen», sagt Fussenegger. Ein weiterer Vorteil der Methode: «Die künstlichen T-Zellen arbeiten völlig unabhängig vom Immunsystem, so dass dieses weiter voll funktionstüchtig bleibt und weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind.»

Mit Baukastensystem zur Generalisierung

Das System ist überdies baukastenartig erweiterbar. Die Forscher können die künstlichen Killerzellen mit verschiedenartigen Andockstellen, die an andere Krebszelltypen binden, ausstatten. Für die vorliegende Arbeit, die in Nature Chemical Biology erschienen ist, verwendeten die Forscher Andockstellen, die ausschliesslich einen bestimmten Typ von Brustkrebszellen erkennen. «Mit dieser Technik erzielen wir eine enorme Generalisierung, die mit den aktuell in Krebstherapien verwendeten echten T-Zellen nicht zu erreichen ist», betont Fussenegger.

Noch ist nicht bekannt, ob und wie wie dieses System im Menschen funktionieren wird. Die ETH-Forscher haben ihre neuen Zellen bislang erst in Zellkulturen getestet. «Unser neues System ist momentan weit von einer therapeutischen Anwendung entfernt», sagt der ETH-Professor. «Aber ich denke, wir haben eine neue Front gegen Krebs eröffnet.»

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