Trinkjoghurt gegen Alzheimer?

Alzheimer im Frühstadium mit Nährstoffgetränk stabilisieren

02.11.2017 - Deutschland

Das europäische Forscherkonsortium LipiDiDiet unter Leitung von Professor Tobias Hartmann von der Universität des Saarlandes hat die Ergebnisse einer klinischen Langzeitstudie mit Alzheimer-Patienten veröffentlicht. Die Personen mit so genanntem prodromalem Alzheimer, also dem vordementiellen Stadium der Krankheit, wurden mit einem Nährstoffgemisch behandelt. Sie zeigten in neuropsychologischer Hinsicht im Vergleich zu einer Testgruppe keine Veränderung. Jedoch verbesserten sich ihre kognitiven und funktionellen Leistungen im Alltag signifikant. Auch das Gehirn schrumpfte im Vergleich weniger. 

Meditations, pixabay.com, CC0

Symbolbild

Das für die Behandlung der Alzheimer-Patienten eingesetzte Nährstoffgemisch enthält „Fortasyn Connect“, eine spezielle Kombination aus essentiellen Fettsäuren, Vitaminen und anderen Nährstoffen. Mehrere Forscher der Universität des Saarlandes und weiterer deutscher und internationaler Institutionen waren an der klinischen Studie beteiligt, die Teil eines großen durch die Europäische Union finanzierten Forschungsprojektes ist. An der Studie nahmen 311 Patienten an elf Kliniken in Europa für zwei Jahre teil. Zum Studienbeginn hatten alle Patienten eine durch Biomarker nachgewiesene, leichte kognitive Beeinträchtigung des Alzheimer-Typs, dem Vorstadium der Alzheimer-Demenz. Die Hälfte der Patienten nahm die Nährstoffkombination täglich in Form eines Trinkjoghurts zu sich, die Kontrollgruppe erhielt ein Getränk, das im Geschmack sowie in der Konsistenz und Farbe identisch war, aber keine Wirkstoffe erhielt.

Ein ursprünglich als Hauptergebnis vorgesehener neuropsychologischer Test mit beiden Patientengruppen (primärer Endpunkt) bestand aus den folgenden Einzeltests: Lernen, Erinnern und Erkennen von zehn Wörtern, möglichst viele Wörter der Kategorie ‘Tier’ innerhalb einer vorgegebenen Zeit aufsagen sowie der Aufgabe, Buchstaben und Zahlen zu vertauschen. Hierbei zeigten die Patienten mit Nährstoffbehandlung keine statistisch signifikanten Unterschiede zu der Kontrollgruppe. Deutlich positive Wirkungen hatte die Behandlung aber mit Blick auf die täglichen Herausforderungen von Alzheimer-Personen. Die Forscher beobachteten über zwei Jahre eine 44-prozentige geringere Verschlechterung bei der klinischen Einschätzung des Schweregrades der Demenz (Clinical Dementia Rating-Sum of Boxes).

Diese Untersuchung ist besonders bedeutend, weil sie den Krankheitsverlauf des Patienten an Hand seiner Leistungen bewertet, die er zeigt, wenn er Aufgaben des täglichen Lebens bewältigen muss. Beispiele hierfür sind die Fähigkeit, mit Notfällen im Haushalt umzugehen, finanzielle oder geschäftliche Vorgänge zu bewältigen oder wichtige Ereignisse nicht zu vergessen. Darüber hinaus wurden Veränderungen in der Hirnschrumpfung beobachtet, im Hippocampus ein Unterschied von 26 Prozent. Zunehmender Hirnzerfall ist typisch für eine Alzheimer-Erkrankung, der Abbau des Hippocampus ist die Ursache für viele der Gedächtnisprobleme bei Alzheimer. Das Auftreten von Nebenwirkungen war bei der Kontrollgruppe, die mit Nährstoffen behandelt wurde, gleich.

„Die diagnostische Möglichkeiten bei Alzheimer-Patienten haben sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert, leider befinden sich aber die zur Verfügung stehenden pharmakologischen Therapieoptionen für die prodomale Alzheimer-Krankheit noch im Entwicklungsstadium. Vor diesem Hintergrund ist das mit dieser Studie verbesserte Verständnis um die Bedeutung ernährungsbezogener Interventionen sehr wichtig. Die LipiDiDiet Studie zeigt, dass die Nährstoffbehandlung helfen kann, sowohl die Gehirnsubstanz und das Gedächtnis zu bewahren als auch den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden – wohl der bedrückendste Aspekt der Alzheimer-Krankheit“, sagt die Professorin Hilkka Soininen, Neurologin und Leiterin des klinischen Teils der Studie (Universität Ostfinnland). In vorhergehende Studien wurden bereits Effekte auf das Gedächtnis bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz beobachtet.

Professor Tobias Hartmann, Leiter der Gesamtstudie, erklärt: „Eine Heilung wird durch diese Behandlung noch nicht erreicht, aber es zeigt sich, dass je früher diese Intervention eingesetzt wird, desto größer ist der Nutzen für den Patienten. Ein weiterer bemerkenswerter Meilenstein ist, dass zusammen mit dem kognitiv-funktionellen Gewinn eine verringerte Hirnschrumpfung festgestellt wurde, also ein Ergebnis, das über eine symptomatische Wirkung hinausgeht. Dies wurde bei den bisher zur Verfügung stehenden Therapien nie erzielt.“

Die Nährstoffkombination „Fortasyn Connect“ wurde als 125ml Getränk über zwei Jahre kontinuierlich verabreicht. Diese Nährstoffkombination geht auf präklinische Forschung von Professorin Kiliaan (Radboud Universität, Niederlande) sowie den LipiDiet- und LipiDiDiet-Projekten, koordiniert von Professor Hartmann (Universität des Saarlandes) und Professor Wurtman (ehemals Massachusetts Institute of Technology, USA), zurück. Fortasyn Connect ist der Wirkbestandteil von Souvenaid und fällt innerhalb der Europäischen Union in die Kategorie ‚medical food’.

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