Neues Verfahren ermöglicht Kultivierung menschlicher Gehirnschnitte in der Petrischale
Copyright: Niklas Schwarz & Henner Koch, 2017
„Das menschliche Gehirn scheint sehr geringe Toleranzgrenzen für die Kultivierung außerhalb des menschlichen Körpers zu haben“, berichtet Studienleiter Dr. Henner Koch. Welche Substanzen im menschlichen Hirnwasser für das Überleben der Nervenzellverbände entscheidend sind, ist noch unklar. „Das müssen künftige Analysen zeigen.“
Klar ist: Mit der neuen Methode lassen sich einige Fragen nun direkt an menschlichen Hirngeweben klären, wofür bislang Tierexperimente nötig waren. So kann künftig in der Petrischale getestet werden, welche Wirkung neue Arzneistoffe auf menschliches Hirngewebe haben. Untersuchungen an Tiergewebe lassen sich nicht immer zu hundert Prozent übertragen – mit entsprechenden Restrisiken für freiwillige Probanden von Medikamentenstudien.
Auch Erbgutveränderungen, die mit Erkrankungen des menschlichen Nervensystems assoziiert sind, können ab sofort besser erforscht werden. „Die Methode ermöglicht uns, Genveränderungen in die Hirnzellen einzubringen und ihre Auswirkung auf das Gewebe als Ganzes zu untersuchen“, sagt Erstautor Dr. Niklas Schwarz. „Zwar lassen sich viele neurologische Erkrankungen an Tiermodellen studieren – ob sich die Ergebnisse direkt auf menschliche Hirnzellen übertragen lassen, ist aber oftmals nicht sicher.“ Die Tübinger Wissenschaftler hoffen, dass mit ihrem Verfahren künftig die Anzahl von Versuchstieren in der Forschung reduziert werden kann.
Massenexperimente an menschlichen Hirnschnitten wird es jedoch auch in Zukunft nicht geben. Für die Studie können Forscher ausschließlich Gewebe nutzen, welches im Rahmen von notwendigen Hirnoperationen entfernt wird. Dies kann etwa der Fall sein, wenn eine Epilepsie nicht mehr mit Medikamenten behandelt werden kann und der erkrankte Gehirnbereich entnommen werden muss. „Selbstverständlich verwenden wir nur Material von Patienten, die im Vorfeld einer wissenschaftlichen Verwendung schriftlich zustimmen“, betont Neurochirurg und Mitautor Dr. Thomas Wuttke.