Stop and Go im Kaliumkanal

Forscherin entdeckt biophysikalischen Schließmechanismus in der Zellmembran

12.10.2017 - Deutschland

Ionenkanäle kontrollieren das Einströmen geladener Teilchen in die Zelle. An der TU Darmstadt ist ein überraschend einfacher Schließmechanismus für einen Kaliumkanal entdeckt worden.

Katrin Binner

Die Physikerin arbeitet mit sehr einfachen Kaliumkanälen, um die Analyse nicht unnötig kompliziert zu machen.

Zellen brauchen für den Austausch mit der Umgebung Öffnungen in der Zellmembran. Allerdings sind diese Öffnungen keine klaffenden Poren, sondern verschließbare Kanäle, in denen die Signale in Form von Ionen hin und her transportiert werden. Privatdozentin Dr. Indra Schröder von der Abteilung Membranbiophysik der TU Darmstadt, die von Professor Gerhard Thiel geleitet wird, interessiert sich für Kaliumkanäle. Die Physikerin und Nachwuchsgruppenleiterin wirft einen ganz eigenen Blick auf diese winzigen molekularen Maschinen. Ihr geht es nicht um die biologischen Signale, die über die Kanäle ausgetauscht werden, sondern um den biophysikalischen Schließmechanismus. Schröder will wissen, wie der molekulare Riegel aussieht und wie er funktioniert.

Dafür arbeitet die Physikerin mit sehr einfachen Kaliumkanälen, um die Analyse nicht unnötig kompliziert zu machen. Sie verwendet zwei Systeme mit ähnlicher Struktur, aber unterschiedlicher Öffnungswahrscheinlichkeit. Ein Kanal ist fast immer geschlossen, der andere fast immer geöffnet. Beide Kanäle stammen aus Algenviren, haben aber große Ähnlichkeiten mit den Kaliumkanälen höherer Lebewesen. Schröder arbeitet zudem in einem zellfreien System und baut die Kaliumkanäle in künstliche Oberflächen ein. „Wir konzentrieren uns einzig und allein auf den Schließmechanismus und blenden alle andere Funktionen der Kaliumkanäle aus“, sagt Schröder. „Weil alle Kaliumkanäle untereinander ähnlich sind, ist dies auch legitim. Wir arbeiten im Grunde mit einem Prototyp, einem Modell-Kaliumkanal sozusagen.“

Aminosäure Serin an einer kritischen Stelle

Schröder und ihr Doktorand Oliver Rauh haben beide Kaliumkanäle mutiert und einzelne Teile wie Versatzstücke hin und her geschoben. Dadurch konnten sie ermitteln, welche Aminosäuren für die geringe und welche für die hohe Öffnungswahrscheinlichkeit verantwortlich sind. Der Kaliumkanal mit der geringen Öffnungswahrscheinlichkeit besitzt an einer kritischen Stelle die Aminosäure Serin. Diese Aminosäure interagiert mit einer entfernt gelegenen Aminosäure und zwingt der Kanalpore dadurch eine Krümmung auf. Durch diese Krümmung wird eine andere Aminosäure in den Transportweg geklappt und verschließt den Tunnel.

Bei dem Kaliumkanal mit der hohen Öffnungswahrscheinlichkeit ist die Aminosäure Serin gegen die Aminosäure Glycin ausgetauscht worden. Glycin zwingt der Kanalpore keine Krümmung auf und damit auch keinen Verschluss des Tunnels. „Der Schließmechanismus dieser beiden viralen Kaliumkanäle besteht also nur aus zwei Aminosäuren“, erklärt Schröder. „Eine Aminosäure verschließt den Kanal, die zweite steuert den Prozess. Molekulardynamische Simulationen unseres Kooperationspartners Stefan Kast von der TU Dortmund haben dies bestätigt. Wir hatten mit einem viel komplizierteren Schließmechanismus gerechnet.“

Die Nachwuchsgruppenleiterin nimmt an, dass einige humane Kaliumkanäle den gleichen Riegel benutzen wie die beiden viralen Kaliumkanäle, weil sie über die beiden kritischen Aminosäuren verfügen. Schröders Arbeiten sind auch für die synthetische Biologie relevant, weil die Kaliumkanäle und ihr einfacher Schließmechanismus für die Konstruktion künstlicher Nanosensoren verwendet werden können. Das vom European Research Council (ERC) finanzierte Projekt noMagic, an dem Schröder beteiligt ist, manipuliert lebende Zellen mit künstlich hergestellten Kanälen.

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