Harnblasenkrebs: Mit der Bürste an die Zellen

11.10.2017 - Deutschland

Harnblasenkrebs ist der zweithäufigste bösartige Tumor in der Urologie. Rauchen sowie Belastung durch bestimmte Chemikalien am Arbeitsplatz sind wichtige Risikofaktoren. Um Patienten zielgerichtet therapieren zu können, muss die Krebserkrankung weiter erforscht werden. Molekularbiologische Untersuchungen von vitalen Krebszellen und gesunden Zellen sind nötig. Frisches Gewebe ist aber kaum verfügbar. IfADo-Forschende konnten zusammen mit Urologen des Klinikums Dortmund zeigen, dass mit Hilfe von wiederverwertbaren Zellbürsten sowie kommerziellen Laborkits Zellen in ausreichender Menge minimalinvasiv gewonnen werden können.

IfADo/Golka

In Relation: Die Zytologiebürste ist nur wenige Millimeter groß.

In der Medizin werden nur wenige Millimeter lange Bürsten erfolgreich eingesetzt, um Zellen schonend aus dem menschlichen Körper zu gewinnen. Anschließend kann das Gewebe auf Marker für bestimmte Krankheiten getestet werden. Ein bekanntes Anwendungsbeispiel findet sich in der Gynäkologie: Beim Screening für Gebärmutterhalskrebs verwenden Ärzte die Mikrobürsten, um Zellmaterial vorsichtig zu entnehmen. Auch in der Urologie haben die Bürsten eine lange Tradition. Verdächtige Stellen im Nierenbecken oder den Harnleitern können auf diese Weise für pathologische Untersuchungen gewonnen werden.

Die Möglichkeit, nicht nur tote, sondern vitale Zellen von Tumoren und gesundem Gewebe durch den Einsatz von winzigen Bürsten zu gewinnen, ist vielversprechend. Für den Patienten ist das Bürsten im Vergleich zu anderen Methoden der Zellgewinnung das am wenigsten belastende Verfahren. Gleichzeitig können die Forschenden anhand des frischen Gewebes analysieren, welche Gene unter welchen Bedingungen aktiv sind und diese Informationen mit der Situation in gesunden Zellen vergleichen. Um sogenannte Genexpressionsanalysen durchzuführen, werden bei Patienten mit beispielsweise Harnblasenkrebs jedoch noch keine Zellbürsten eingesetzt. Denn die Proben müssen bislang unmittelbar nach Entnahme aufgearbeitet und in flüssigen Stickstoff bei dreistelligen Minusgraden gesichert werden, um vitales Gewebe für spätere Forschungszwecke zu erhalten – ein technisch zu aufwendiger Prozess für den Klinikalltag.

Wiederverwertbare Bürsten und Tiefkühler

Forschende des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) konnten zusammen mit Experten des Klinikums Dortmund nachweisen, dass sich durch eine minimalinvasive Technik Zellen von Patienten mit Harnblasenkrebs in verwertbarer Menge für Genexpressionsanalysen gewinnen lassen. Dazu haben sie zwei kommerziell verfügbare Methoden erstmalig kombiniert: Sie testeten zertifizierte, wiederverwertbare und daher kostengünstige Bürsten, die nur wenige Millimeter groß sind, sowie ein Kitset, mit dem die Zellen auch vom Kliniker für molekularbiologische Analysen aufbereitet und konserviert werden können. Diese Methoden wendeten sie bei 25 Patienten an, denen im Rahmen eines endoskopischen Eingriffs der Tumor entfernt werden sollte. Während dieses medizinisch notwendigen Eingriffs wurde den Patienten mit einer Bürste oberflächliches Tumorgewebe und mit einer weiteren Bürste gesunde Schleimhautzellen der Harnblase entnommen.

„Die durch den Bürsteneinsatz minimal verlängerte Dauer des Eingriffs ist akzeptabel. Denn wir konnten qualitativ geeignetes Material für eine beachtliche Anzahl von Analysen gewinnen“, sagt Studienautor Dr. Alexander Kress vom Klinikum Dortmund. Zudem könnten die Bürsten im Klinikalltag unproblematisch gesäubert und sterilisiert werden. Durch das Kit entfällt die Konservierung in flüssigem Stickstoff, die Proben könnten schon im Tiefkühlfach bei -18 Grad gelagert werden.

Die in der aktuellen Studie vorgestellte Techniksynthese ermöglicht den Forschenden neue Erkenntnisse über das Harnblasenkarzinom. Auf lange Sicht könnten auch Patienten durch mögliche Fortschritte in der personalisierten Medizin profitieren. „Wenn es gelingt, bestimmte Muster in der Genexpression von Tumorgewebe zu identifizieren, könnten wir dieses Wissen in Zusammenhang mit der individuellen Prognose oder Wahl der geeigneten medikamentösen Therapie stellen“, erklärt Prof. Dr. Klaus Golka, Studienautor und Leiter der Arbeitsgruppe „Klinische Arbeitsmedizin“ am IfADo. Denkbar wäre es auch, die vorgestellte Methode für Forschungsprojekte zu Erkrankungen endoskopisch zugänglicher Organe wie dem Darm oder der Lunge anzuwenden.

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