Auch offen abgegebene Placebos wirken – wenn sie erklärt werden
Die erfolgreiche Behandlung bestimmter körperlicher und psychischer Beschwerden kann zu einem bedeutenden Anteil durch den Placeboeffekt erklärt werden. Eine ethische Frage dabei ist, wie sich dieser Effekt nutzen lässt, ohne die Patienten zu täuschen. Neuste empirische Studien zeigen, dass Placebos, die offen verabreicht werden, bei körperlichen Beschwerden wie chronischen Rückenschmerzen, Reizdarmsyndrom, episodischer Migräne und Rhinitis klinisch bedeutsame Effekte zeigen.
Creme zur Schmerzlinderung
Erstmals haben nun Forschende der Universität Basel mit Kollegen der Harvard Medical School die offene Placebo-Vergabe mit einer getäuschten verglichen. Dafür führte das Team eine experimentelle Studie mit 160 gesunden Probanden durch, denen am Unterarm ansteigende Hitze mittels einer Wärmeplatte zugeführt wurde. Die Studienteilnehmer wurden gebeten, den Temperaturanstieg dann manuell zu stoppen, sobald sie die Hitze nicht mehr aushalten. Danach sollte der Schmerz mit einer Creme gelindert werden.
Bei dem Versuch wurde ein Teil der Probanden getäuscht: Ihnen wurde gesagt, dass sie eine Schmerzcreme mit dem Wirkstoff Lidocain erhalten, bei der es sich aber in Wirklichkeit um ein Placebo handelte. Andere Probanden erhielten eine Creme, die deutlich mit «Placebo» beschriftet war; sie wurden zusätzlich während einer Viertelstunde über den Placeboeffekt, sein Zustandekommen und seine Wirkungsmechanismen informiert. Eine dritte Gruppe erhielt eine offene Placebo-Creme, jedoch ohne weitere Erläuterungen dazu.
Die Probanden der beiden ersten Gruppen berichteten nach dem Experiment von einer signifikanten Abnahme der Schmerzintensität und -unannehmlichkeit. «Die bisherige Annahme, dass Placebos nur wirken, wenn sie mittels Täuschung verabreicht werden, sollte neu überdacht werden», kommentiert Erstautorin Dr. Cosima Locher von der Fakultät für Psychologie der Universität Basel das Ergebnis.
Ohne Erläuterung stärkerer Schmerz
Wenn ausführliche Erläuterungen über den Placebo-Effekt fehlten – wie in der dritten Gruppe –, berichteten die Probanden von deutlich intensiverem und unangenehmerem Schmerz. Bei der Placebo-Vergabe entscheidend sind demnach die begleitenden Informationen und die Kommunikation; die Forschenden sprechen hier von einem Narrativ. Damit unterscheidet sich der ethisch problematische Aspekt von Placebos, die Täuschung, möglicherweise nicht von einem transparenten und überzeugenden Narrativ: «Eine offene Abgabe eines Scheinmedikaments bietet neue Möglichkeiten, den Placebo-Effekt auf ethisch vertretbare Weise zu nutzen», so Mitautor Prof. Dr. Jens Gaab, Leiter der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Basel.
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