Kleiner gehts nicht: Seltene Genstruktur im Erbgut von Plattentieren entdeckt

15.09.2017 - Deutschland

Plattentiere (Placozoa) sind die strukturell einfachsten vielzelligen Tiere. Sie eignen sich daher sehr gut als Modellsystem für verschiedene biologische Fragestellungen. Professor Dr. Bernd Schierwater, Hans-Jürgen Osigius und Dr. Michael Eitel aus dem Institut für Tierökologie und Zellbiologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover untersuchten jüngst das Erbmaterial der Plattentierart Placozoa sp. H2 und entdeckten in einem der Gene ein Exon, das aus nur einem einzigen Basenpaar besteht.

Bernd Schierwater

Plattentiere sind nicht nur Modellsysteme für die Krebsforschung, sondern insbesondere auch für die Evolutionsbiologie.

Alle Informationen für ein Lebewesen sind in seinen Genen verschlüsselt. Nicht alle Genabschnitte werden jedoch in Proteine übersetzt – nur die sogenannten Exons. Zwischen den Exons liegen Bereiche, die nicht für Proteine kodieren: die sogenannten Introns. Sie regulieren unter anderem die Aktivität der Gene und werden aus der mRNA herausgetrennt, bevor diese in ein Protein übersetzt wird. Erst danach wird der genetische Code von den aneinandergereihten Exons abgelesen, die meist mehr als hundert Basenpaare lang sind.

Sogenannte Mikro-Exons mit einer Länge von weniger als 30 Basenpaaren sind selten. Vor zwei Jahren beschrieben chinesische Wissenschaftler bei einer Pflanze, der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), erstmals ein Exon aus nur einem Basenpaar – bei tierischen Lebewesen wurde über eine solche Entdeckung bislang nicht berichtet. Die TiHo-Wissenschaftler wiesen jetzt bei einer vergleichenden Analyse Millionen aktiver Einzelsequenzen das kleinstmögliche Exon in Plattentieren nach. „Die Abfolge von genau drei Basen ist nötig, um eine einzelne Aminosäure zu kodieren. Ein Exon, das aus nur einem Basenpaar besteht, enthält also für sich allein gar keine Kodierungsinformation“, sagt Professor Dr. Bernd Schierwater, Direktor des Instituts für Tierökologie und Zellbiologie der TiHo. „Wird es jedoch gemeinsam mit dem nachfolgenden Exon abgelesen, ergibt sich eine Basenabfolge, die in eine Aminosäure übersetzt wird, in diesem Fall Histidin.“

Die Wissenschaftler vermuten, dass das Mikro-Exon ursprünglich zum nachfolgenden Exon gehörte. Der Einschub eines Introns trennte das einzelne Basenpaar dann von der übrigen Basenfolge. Warum sich dieser Mechanismus im Laufe der Evolution entwickelt hat, ist noch zu klären. „Unsere Untersuchungen zeigen, wie wichtig es ist, das Erbmaterial bis ins kleinste Details zu untersuchen“, betont Osigius. „Nur so konnten wir diesen ungewöhnlichen Vorgang bei der Proteinbiosynthese aufdecken.“

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